Hotel Fatal:Auschecken

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In seiner letzten Kolumne beschäftigt sich unser Autor mit der Frage nach dem richtigen Satz zum Abschied. Und plädiert für einen Schnaps zu dieser Gelegenheit.

Max Scharnigg

In Kyoto, so erzählt man sich, gibt es ein sagenhaftes Hotel, das jeder ernsthafte Hotelgenießer besucht haben muss, bevor sein Eintrag im Gästebuch des Lebens wieder verblasst. Es soll luxuriös sein, ohne einen einzigen Kronleuchter zu haben, perfekten Service bieten, ohne dass man je einem Angestellten einen Auftrag geben muss, es soll vollkommen riechen, schmecken und fühlen, so schwärmen all jene, die schon mal dort waren.

In einem wunderbaren Hotel in Japan soll es speziell geschultes Personal für die Gästeverabschiedung geben - das wird wohl eine Ausnahme bleiben. (Foto: Foto: iStock)

Wenn man diesen Olymp der Gastlichkeit wieder verlässt, tritt eigens zu diesem Zweck anwesendes Winkpersonal mit dem Gast vor die Tür, verabschiedet sich in vollendeter Form und - winkt. Ein märchenhaftes Winken muss das sein, grazil und herzlich und voller Restwärme für den Scheidenden. Die Angestellten sind gehalten, fünf Minuten zu winken. Auch wenn der Gast nach dreißig Sekunden mit dem Taxi um die Ecke biegt, winken sie diese fünf Minuten hinter ihm her. Traumhaft, oder? Kann man sich ein sanfteres Entschwinden vorstellen?

Jenseits von Kyoto freilich ist das Abschiednehmen dem banalen Auschecken gewichen. Es beginnt stets mit der schwierigen Frage, ob man es schafft, vor der knallharten Check-out-Uhrzeit zu frühstücken und danach noch mal auf dem Zimmer die Zähne zu putzen - ohne dass dort schon die Staubsauger-Patrouille rumsteht. Meistens schafft man es.

Was sagt man am Ende?

Was sich hingegen schwieriger darstellt, ist ein angemessener Dialog mit den Menschen an der Rezeption. Als leicht sentimentaler Gast möchte man doch gerne ein bisschen Extra-Aufmerksamkeit zum Abschied, es muss ja nicht gleich Winken sein. Aber so ein klitzekleines Bedauern, wäre das nicht drin?

Was sagt man also, um sein bevorstehendes Nicht-Dasein stilvoll anzudeuten? "Ich checke aus." klingt wirklich seltsam, als wäre man eine Rakete, die im Frachtterminal abgefertigt wird.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie das Personal an der Rezeption dem Hotelgast die Verabschiedung leichter machen könnte.

"Ich reise ab." ist deutlich hübscher, erinnert aber leider stark an Heinz-Erhard-Filme, in denen immer ein dicker Fabrikdirektor diesen Satz schreit - und man will ja gar nicht schreien.

(Foto: Foto: privat)

"So, das war's dann leider." ist eindeutig zu privat, genauso wie "Ich bin untröstlich, aber meine Tage in dieser Herberge sind gezählt" etwas zu sehr nach Graf Bobby klingt.

In Ländern, in denen man in fremden Zungen sprechen muss, führt das ohnehin meistens dazu, dass man nur etwas Schroffes wie "Ich jetzt gehe danke." formulieren kann. Nicht gerade ein wertvoller Beitrag zur Völkerverständigung.

Im Grunde wäre es wünschenswert, wenn einem die Rezeptionisten die Dialogeröffnung abnähmen und trillern würden: "Ach, wie die Zeit vergeht, nun sind Sie doch gerade erst angekommen und schon müssen Sie weiter. Wie schade!" Derlei geschieht aber nie. Es sei denn, man steht in direkter Erbfolge mit dem Menschen hinterm Tresen.

"Hatten Sie etwas aus der Minibar?"

In den meisten Fällen sieht man sich am Tag der Abreise also mit der gleichen Beachtung abgefertigt, wie sie auch eine Tiefkühllasagne beim Verlassen der Fabrikhalle erfährt. Man reicht die Kreditkarte und beantwortet stramm die Frage, ob man was aus der Minibar hatte. Wer an diesem Punkt immerhin für Aufmerksamkeit sorgen möchte, antworte darauf: "Ja, alles." Danach rattern unterirdische Drucker, alles schweigt, bis schließlich das befreiende Nennen einer enormen Summe die Laune endgültig verbrät. 790 Euro für drei Nächte schlecht geschlafen? Bloß raus aus dieser Raubritterburg - arm und unglücklich wankt man aus der Drehtür.

Um diesen schlechten letzten Eindruck zu mildern, sollten Hotels eigentlich keinen Begrüßungssekt anbieten, sondern stattdessen Abschiedsschnaps bereithalten. Keine Ahnung, wie die das im Wunderhotel in Kyoto machen. Da setzt sich vielleicht ein Vögelchen auf die Schulter, das die Rechnung in einem entzückenden kleinen Bambusröhrchen mit sich trägt und lustig zwitschert: "Adieu, Adieu!"

Tawaraya-Ryokan, Anenokoji-agaru, Fuyacho, Nakagyo-ku, Kyoto, Japan 604-8094

Max Scharnigg, 28, arbeitet als Journalist in München und ist Mitglied der jetzt.de- Redaktion der Süddeutschen Zeitung. Seine Wochenenden verbringt er am liebsten in interessanten Hotelzimmern mit Bad oder Dusche.

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