Hotel Fatal:ABC des Hotelfrühstücks

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Woran erkennt man, ob der Orangensaft auf dem Büfett frisch gepresst ist? Das große ABC des Hotelfrühstücks, heute mit den Buchstaben M - Z.

Max Scharnigg

M wie Müsli Wird auf Reisen mit Herzensdamen gerne der Grund für die erste Konfusion des Tages. Während nämlich der durchschnittliche Urlaubsmann seine Herausforderung darin sieht, das Angebot des Büfetts möglichst umfangreich und lückenlos zu nutzen, bröselt sich die Herzensdame nur ein Müsli in die Schüssel und nimmt allenfalls noch einen Apfel.

(Foto: Foto: iStock)

Klassischer Dialog dann: Er (zeigt auf den Apfel): "Ich dachte, das ist Deko." Sie (zeigt auf die zehn Bratwürstchen): "Ich dachte, wir gehen nachher an den Strand."

N wie Nachtschicht Eine der besten Arten ein Hotelfrühstück zu genießen, ist es, die vorausgehende Nacht nicht im Hotel zu verbringen. Wer nach durchtanzter, durchzechter oder sonst wie durchbrachter Nacht gegen sieben Uhr morgens in einen frisch gedeckten Frühstückssaal einläuft, betreibt genau das richtige Gegenprogramm zur "Tired & Emotional"-Phase, die einen sonst nach solchen Nächten umfängt.

Zwei Liter Kaffee und jede Menge Deftigkeiten mit Meerrettich gönnt man sich jetzt mit einem Gefühl der Gerechtigkeit. Dazu kommt die gute Einbildung, den frisch geduschten Saubermännern hier mindestens eine Säufernasenlänge voraus zu sein.

O wie Orangensaft Die heimliche Seele eines Frühstücksbüffets. Ob er frisch gepresst ist, erkennt man daran, ob er verfügbar ist. Falls ja, dann nicht. Und wenn tatsächlich mal eine dieser Pressmaschinen bereitsteht, die immer an die Lottoziehungsmaschine im Fernsehen erinnern, dann geht sie umgehend kaputt.

P wie Päckchen Für das Verpacken von Marmeladen, Butter und Streichwurst in kleine Plastik-Pakete mag in einem Flugzeug Notwendigkeit bestehen, in einem handelsüblichen Frühstücksraum ist diese Komprimierung nicht nötig. Dennoch ist man als erwachsener Gast oft gezwungen, mit dem schweren Frühstücksmesser in solchen Förmchen herumzukratzen und Fetzen des klebrigen Deckels später am Hosenbein zu tragen.

Nicht benutzte Päckchen werden vom Personal wieder eingesammelt und am nächsten Tag neu ausgegeben - daran ist rein sachlich nichts falsch. Trotzdem bleibt kurz das Gefühl, man würde Second-Hand-Butter essen.

Q wie Quality Time Schwer zu finden bei einem Hotelfrühstück, denn der Gast wälzt mindestens die eine große Frage: Kann ich danach noch mal in Ruhe Zähne putzen oder hat das lauernde Zimmermädchen mein Zimmer bereits annektiert und meine nicht gepackte Tasche schon auf den Flur gestellt?

Erfahren Sie auf der nächsten Seite, wie Sie jede Menge Schimpfwörter in der Landessprache lernen können, ohne danach fragen zu müssen.

R wie Röstmaschine Das beste Beispiel für unkontrollierten Maschinenwahn. Nimmt zwei Quadratmeter mehr ein als ein Toaster, verängstigt Büfettneulinge mit ihrem scheinbar komplizierten Kettenzugmechanismus und kann dann doch nur Brot rösten.

(Foto: Foto: privat)

Dieses Ungetüm ist auch eine der größten Staugefahren am Büfett, da es immer so eingestellt ist, dass ein Brotscheibentransit in etwa der Fahrtdauer Picadilly Circus - Stansted entspricht. Man erzählt von internationalen Konferenzen, die zwei Stunden später beginnen mussten, weil alle Teilnehmer auf erfolgreiche Durchfahrt an der Röstmaschine beharrten

S wie Selbstbedienung Gehört mittlerweile zu fast jedem Hotelfrühstück, vermutlich, weil einer Mehrheit der Gäste Kommunikation am Morgen schwerfällt. Einige Merkregeln dazu:

1. Nie Lachs und Obstsalat auf den gleichen Teller, auch wenn sie am Büffet nebeneinanderstehen.

2. Deckel von Wärmebehältern immer so halbschräg ablegen, dass der nächste Büffetgast sie zu Boden scheppern lässt.

3. Angesichts von gebratenem Speck nicht die Diäterfolge des letzten Jahres aufs Spiel setzen.

4. Joghurtlöffel, Serviette und Brot jeweils einzeln vergessen, so dass mindestens ein halbes Dutzend Gänge zum Büfett notwendig sind, bei denen man immer noch eines von diesen drolligen Schokocroissants einsteckt.

T wie Teller In Benimm-Büchern ist nachzulesen, dass man bei jedem Büfettgang einen neuen Teller zu nehmen hat und keinesfalls mit dem alten ansteht. Eine schöne Regel. In der Praxis befolgt, führt sie in den meisten Hotels dazu, dass man nach drei Büfettgängen seine Lust auf einen vierten nur deshalb verschiebt, weil die Tellerberge auf dem kleinen Frühstückstisch schon fast bis unters Kinn reichen.

U wie Unterlassen! Folgende Dialoge wurden schon viel zu oft in Hotelfrühstücksräumen gesprochen:

"Und alles fit? Wie lange habt ihr denn gestern noch gemacht?" - "Also, ich bin dann um drei gegangen, aber Ulf und Atze sind noch geblieben, mal gespannt, wie's denen heute geht, höhö."

"Ist da noch Kaffee in der Kanne?" - "Ne, warte mal, der soll uns noch mal eine bringen."

"Wow, Würstchen am Morgen, das könnte ich nicht." - "In England gehört das fei sogar dazu."

"Hast du dein Gepäck schon dabei?" - "Ne, ich muss auch gleich noch mal aufs Zimmer."

"Hast du auch so eine große Badewanne im Zimmer?" - "Nö, ich hab nur Dusche."

V wie Vorbildlich Das vielleicht beste Frühstücksbüffet wird im Dorint in Baden-Baden (Tel.: 07221 - 3012-0) angeboten - auf weitläufigen Tischfluchten findet sich nicht nur Frühstück mit den exotischsten Zutaten, sondern auch allerlei, was für Mittag und Abend gereichen würde. Das Überangebot wird gekrönt von einem großen, ganzen Parmaschinken, der einen eigenen Angestellten mit Säbel beschäftigt.

Im Gegenzug dazu bildet das Frühstück im "291 Suites" (Tel.: 0044 - (20) 743 18 111) in Londons Stadtteil West Hampstead einen erfrischend unprätentiösen Gegensatz: Zwei Hörnchen aus Kunstleder, die in einer weißen Plastiktüte ans Zimmer gehängt werden.

W wie Wurst Ist nur in Ländern mit Alpenanschluss zu genießen. Eine Schwierigkeit, mit der auch alte Hasen angesichts reicher Wurstplatten gelegentlich noch kämpfen, ist, das richtige Verhältnis von Belag zu mitgeführter Brotfläche zu finden. Gelingt das nicht, begibt man sich in die Gefahr eines ewigen Frühstück-Kontinuums: Noch eine Scheibe Wurst übrig - zwei Brote holen. Noch ein Brot übrig - noch drei Wurstscheiben holen. Noch eine Scheibe übrig ...

Z wie Zeiten Wer sich für Schimpfwörter in fremden Sprachen interessiert, sollte sich angewöhnen, immer genau zehn Minuten vor offiziellem Ende der Frühstückszeit im dazugehörigen Saal zu erscheinen.

Max Scharnigg, 28, arbeitet als Journalist in München und ist Mitglied der jetzt.de -Redaktion der Süddeutschen Zeitung . Seine Wochenenden verbringt er am liebsten in interessanten Hotelzimmern mit Bad oder Dusche.

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