Durchflug verboten:West-östliche Turbulenzen

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Russland droht, den Luftraum für Airlines aus der EU zu sperren. Der Grund könnte sein, dass die Weltmacht beleidigt ist.

Daniel Brössler und Alexander Hagelüken

Der Himmel über Russland ist ein gefährlicher Ort. Davon sind die meisten Russen überzeugt. 84 Prozent von ihnen halten einer Umfrage zufolge Flugzeuge für das unsicherste Verkehrsmittel. Nachrichten, die das zu bestätigen scheinen, hören sie oft. Allein im vergangenen Jahr sind 300 Menschen bei Flugunglücken in Russland ums Leben gekommen.

Ein Flugverbot würde Geld kosten. Viel Geld. (Foto: Foto: iStockphoto)

Auch der Regierung sind viele der betagten Maschinen nicht geheuer, mit denen immer noch viele einheimische Gesellschaften fliegen. Spätestens in fünf Jahren sollten alle sowjetischen Tupolews der Typen 134 und 154 am Boden bleiben, versprach Verkehrsminister Igor Lewitin jüngst.

Da überrascht es ein wenig, dass die russische Luftfahrtbehörde nun am Horizont eine Gefahr ausgemacht hat, die aus einer ganz anderen Richtung kommt - aus Europa. Die Behörde drohte am Freitag mit Flugverboten für mehrere Airlines aus EU-Ländern, weil Piloten dieser Gesellschaften die Flugsicherheit in Russland "in wirklich gefährliche Situationen" gebracht hätten.

In einem Brief an die Europäische Konferenz für zivile Luftfahrt und die EU-Kommission forderte Behördenchef Alexander Neradko "unverzügliche Maßnahmen". Sonst müssten den betroffenen Airlines die Überflugrechte für den russischen Luftraum entzogen werden. Die Russen machten aber keinerlei Angaben, welche Gesellschaften davon bedroht seien.

Über die Vorwürfe herrscht in Brüssel Verwunderung. Ein Flugverbot würde viel Geld kosten. Allein die Lufthansa steuert Russland mehr als hundert Mal in der Woche an. Deshalb erwartet EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot eine hieb- und stichfeste Begründung.

Der Franzose versicherte zwar höflich, die Beschwerden zu prüfen. Er hält es aber für seltsam, dass die Russen in den vergangenen Monaten offenbar keine europäische Fluggesellschaft auf ihre angeblich so gefährlichen Vergehen aufmerksam gemacht haben. Auch bei der Lufthansa ist keine Beschwerde angekommen.

In Brüssel wird vermutet, dass es den Moskauer Behörden um etwas ganz anderes geht. Vor einer Woche mussten neun russische Fluglinien ihre Verbindungen in die EU einstellen. Barrot hätte sie sonst wegen Sicherheitsmängeln auf die schwarze Liste gesetzt.

Solche Verbote treffen gewöhnlich nur Entwicklungsländer wie Pakistan, Kongo und Äquatorialguinea. Die stolze Weltmacht Russland könnte nun beleidigt sein und auf Rache sinnen, wird in Brüssel spekuliert.

Pikant ist, dass zu den von den Europäern verbannten Unternehmen auch die Airline von Gazprom gehört. Der Gas- Gigant pflegt beste Beziehungen zum Kreml und will mit Sicherheit wieder Landerechte in Europa haben.

"Da gibt es keinen Zusammenhang", behauptet hingegen Andrej Prjanischnikow, der Sprecher der Luftfahrtbehörde. Routine-Überprüfungen hätten eine deutlich gestiegene Zahl von Verfehlungen durch europäische Fluggesellschaften ergeben.

So sei allein im Moskauer Raum von Juni bis Februar in 18 Fällen durch den Piloten eigenmächtig die Flughöhe gewechselt worden. Zudem seien EU-Flugzeuge fünf Mal in gesperrten Luftraum eingedrungen.

Die Europäer sind Ärger wegen des russischen Luftraums gewohnt. Ihre Airlines müssen derzeit mehr als 300 Millionen Euro im Jahr zahlen, um über Sibirien nach Asien fliegen zu dürfen.

Nach 20 Jahren Streit sicherte Moskau im November zu, die fragwürdigen Gebühren abzubauen - bis zum Jahr 2013.

© SZ vom 17.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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