Alarm nach Abschiedskuss:Phantom von Newark gefasst

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Stundenlang war der US-Flughafen gesperrt, weil sich ein Mann nicht von seiner Freundin trennen konnte - dennoch fühlen viele mit dem "Küsser von Newark".

Es könnte der teuerste Kuss der Luftfahrtgeschichte gewesen sein. Die harmlose Umarmung einer jungen Frau durch einen chinesischen Studenten hatte das Chaos am New Yorker Flughafen Newark ausgelöst, das tausende Passagiere über Stunden festsetzte und grobe Sicherheitsmängel offenbarte. Eine Woche später ist der Verantwortliche gefasst und reuig, zurück bleibt eine blamierte Flugsicherheitsbehörde.

Ungezogene Passagiere
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Zu verschwitzt, zu freizügig, zu offensiv - es gibt die verschiedensten Gründe, warum einem das Mitfliegen verwehrt werden kann.

Am Sonntag nach Silvester, wenn die Flughäfen überfüllt sind, beunruhigte das noch vom "Weihnachtsbomber" Umar Farouk Abdulmutallab aufgeschreckte Amerika die Meldung über einen möglichen Terrorangriff. Ein Unbekannter, hieß es, sei in Newark an den Wachleuten vorbeigerannt und in den Sicherheitsbereich des Flughafens eingedrungen - natürlich ohne vorher die Sicherheitskontrollen über sich ergehen zu lassen.

Im Video: Großalarm nach Abschiedskuss - wie ein Paar die Schließung eines US-Flughafens verursacht hat.

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Sofort verordneten die Behörden einen "Lock Down" und riegelten den gesamten Terminal ab. Tausende mussten noch einmal durch die Sicherheitskontrollen und beendeten die Weihnachtsferien mit einer Nacht auf dem Flughafen. Der ganze Komplex wurde umgekrempelt - gefunden wurde der Unbekannte nicht.

Nach und nach wuchs die Erkenntnis, dass mitnichten Terroristen am Werk waren - und für die Behörden wurde es peinlich. Nicht gerannt sei der Unbekannte, sondern ganz normal gegangen. Und das konnte er, weil ein Wachmann nicht auf seinem Posten war.

Ihre eigenen Überwachungsvideos konnten das den Ermittlern aber nicht verraten: Die Kameras der Flugsicherheitsbehörde TSA liefen zwar, die Aufzeichnung funktionierte aber schon seit Tagen nicht. Die zerknirschten Beamten mussten sich die Aufnahmen bei einer Fluggesellschaft borgen.

Am Freitagabend war die Fahndung nach dem asiatischen Mann in der hellen Jacke endlich erfolgreich. Der Ominöse stellte sich als chinesischer Medizinstudent namens Haisong Jiang heraus, der im 40 Kilometer entfernten Städtchen Piscataway lebt. Nachbarn beschreiben den 28-Jährigen und seine Mitbewohner als stille Menschen, die fleißig studierten. "Das sind sehr, sehr ruhige Leute. Gute Studenten, die niemals Partys feiern", sagte einer der New York Times.

Vier Stunden wurde der junge Chinese verhört, dann durfte er in seine Wohngemeinschaft zurück. Der Fall scheint geklärt: Haisong verabschiedete demnach seine nach Los Angeles zurückfliegende Freundin. Als der Wachmann wegging, schlüpfte er unter dem Absperrband hindurch und nutzte die Gelegenheit für einen neuerlichen Abschiedskuss.

"Nur eine Ordnungswidrigkeit", heißt es jetzt erleichtert von den Behörden. Haisong muss mit gerade einmal 500 Dollar Geldstrafe rechnen - viel Geld für einen Studenten, wenig für ein Chaos auf einem der größten Flughäfen der USA und eine tagelange Fahndung.

Haisong sei nur ein hoffnungsloser Romantiker, sagen seine Freunde. Mitarbeiter der Hochschule loben ihn in den Medien, er sei genau so ein Student, wie sie Amerika brauche. "Er wollte doch nur seine Freundin noch einmal küssen", sagt eine Bekannte. "Allerdings hat er sich einen ziemlich schlechten Zeitpunkt ausgesucht."

Die Menschen haben Mitleid mit dem "Küsser von Newark". Als Frank Lautenberg das merkt, zieht der demokratische Senator von New Jersey seine Forderung nach einer Ausweisung schnell zurück.

Für den Wachmann könnte es teurer werden. Der Mann ist vom Dienst beurlaubt und wird sich einer Untersuchung stellen müssen. Die größten Wunden hat allerdings die Flugsicherheitsbehörde davongetragen. Neben dem Imageschaden - gerade in den Tagen, in denen Präsident Barack Obama keine Sicherheitslücken mehr dulden will - bleibt noch die Frage, wer für die millionenteuren Verspätungen verantwortlich ist.

© sueddeutsche.de/dpa/kaeb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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