Zivilgesellschaft:Die neuste Schikane

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Ukraine, Ungarn, Ägypten: Überall werden NGOs mit Transparenzgesetzen unter Druck gesetzt. Oligarchen und Scheindemokraten wollen so ihre Macht stabilisieren.

Von Cathrin Kahlweit

Unbeeindruckt von Protesten aus dem Westen hat der nach eigenem Bekenntnis besonders europafreundliche ukrainische Präsident ein Gesetz unterzeichnet, das Schockwellen durch die Zivilgesellschaft schickt. Es wird von wütenden Aktivisten in Kiew, Lemberg oder Charkiw mit dem autokratischen Kurs des Intimfeindes Russland verglichen: Alle zivilen Kämpfer gegen die Korruption - Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Unterstützer und Sponsoren, die sich gegen die krude Selbstbedienungsmentalität der regierenden Elite einsetzen, sollen in Zukunft ihr Vermögen offenlegen.

Bisher müssen das nur Politiker und Staatsbeamte tun. Offiziell fällt das Gesetz unter "Transparenz". De facto wirkt es in die entgegengesetzte Richtung, und das ist so gewollt: In diesem Land mit seiner korrupten Justiz schustern Staatsanwälte aus jeder privaten Information, jeder Einkommenserklärung bereitwillig ein Ermittlungsverfahren zusammen, das dann als probates Mittel genutzt wird, um Kritiker mundtot zu machen.

Autokraten setzen Kritiker mit bürokratischen Tricks matt

Die Ukraine erlebt derzeit eine Unterminierung ziviler Freiheiten, begleitet von der Zementierung oligarchischer Interessen. Genau dagegen sind vor drei Jahren die Bürger auf dem Maidan aufgestanden. Die Ukraine ist nur eines von vielen Ländern, in denen regierungskritische Organisationen, aber auch unpolitische Hilfsorganisationen und ausländische Akteure ins Visier autokratischer Systeme oder regierender Oligopole geraten, die Angst vor Destabilisierung durch Dekuvrierung, durch Bloßstellung haben.

Dafür werden vermehrt formalistische, bürokratische Methoden genutzt. Denn: Im Informationszeitalter können Nachrichten über korrupte, gierige, diebische Eliten nicht mehr dauerhaft unterdrückt werden. Internationale Geldgeber, Institutionen, Partnerländer sollen nicht mit drakonischen Strafen oder Verhaftungen abgeschreckt werden. Nein, diesmal fungiert als Helfershelfer in der Regel die Justiz. Der Kampf wird jetzt über Gesetze, Offenlegungszwänge, Finanzstrafverfahren, Zulassungen, Genehmigungen, über Geld und Geldgeber geführt.

Es ist ein unblutiger Krieg gegen die eigene Zivilgesellschaft, aber er ist höchst effizient. Wladimir Putin macht es vor, indem er regelmäßig regierungskritische Gruppen als "feindliche Agenten" listen und verbieten lässt. Die jüngste Protestwelle, die nach Veröffentlichungen über den unerklärlichen Reichtum des Premiers losbrach, kam auch deshalb so überraschend, weil sie unorganisiert zu sein schien. Nichtregierungsorganisationen und Oppositionsparteien sind längst im Korsett von Regeln erstickt, die nur notdürftig staatliche Aggression verdecken.

Auch in Ägypten wurde der Arabische Frühling niedergeschlagen - unter anderem, indem kritische NGOs unter Kuratel gestellt wurden, ausländische Stiftungen gleich dazu. Die Repressionsmethoden werden ständig verfeinert: Laut einem 2016 im Eilverfahren erlassenen Gesetz können Vermögen von Aktivisten eingefroren werden, nichts darf ohne staatliche Genehmigung getan werden, hohe Registrierungskosten und hohe Strafen bei Gesetzesverstößen töten jede Freiheit.

Nun findet der demokratische Rollback auch mitten in Europa statt. In Ungarn wurde gerade ein Gesetz fertiggestellt, das NGOs zur Offenlegung ausländischer Finanziers zwingt, um sie dann als feindliche Agenten diskreditieren zu können. Zielscheibe ist hier vor allem der amerikanische Finanzier George Soros. Er unterstützt seit Jahrzehnten vor allem Gruppen, die jene undankbaren Aufgaben übernehmen, die der Staat nicht übernehmen kann oder will: Minderheitenschutz, Menschenrechte, Bildung, Ernährung.

Aber auch scheinbar apolitische Projekte werden schnell zum Politikum, wenn sich regierende Eliten in ihrem Klientelismus und ihren Interessen bedroht fühlen. Soros ist daher ein gutes, und deshalb viel zitiertes Beispiel: Die von ihm finanzierten Aktivitäten gelten in vielen Ländern an Europas Peripherie zunehmend als staatsfeindlich, weil sie Scheindemokratien aufdecken und damit bedrohen.

Das Motto von Soros lautet "open society", offene Gesellschaft. Deshalb will die ungarische Regierung auch die Central European University aus dem Land jagen: Sie widerspricht dem Konzept der geschlossenen, kontrollierbaren Gesellschaften, an der sie baut. Die Arroganz der Regierung zeigt, wie zynisch ihr Blick auf Kritiker ist: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte Strafgelder gegen den Staat Ungarn verhängt, nachdem zwei Flüchtlinge mit ihrer Klage in Straßburg erfolgreich gewesen waren. "Soll doch Soros die Strafe zahlen", heißt es in Budapest, "der hat genug Geld."

© SZ vom 04.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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