Wohnraum für Flüchtlinge:Häuser statt Zelte

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Damit Flüchtlinge im Winter nicht in Zelten leben müssen, plant Bremen, leerstehende Privatimmobilien als Flüchtlingsunterkünfte anzumieten. (Foto: dpa)
  • Nach Hamburg plant nun auch Bremen, leer stehende Privat-Immobilien als Flüchtlingsunterkünfte anzumieten.
  • So sollen Flüchtlinge im bevorstehenden Winter nicht in Zelten leben müssen oder in die Obdachlosigkeit entlassen werden.
  • Kritiker halten solche Gesetzesinitiativen für einen Eingriff in die Eigentumsrechte.

Der Platz wird knapp, die Kommunen ringen nach Lösungen, um die Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen. Und nach Hamburg plant nun auch Bremen eine nicht ganz unumstrittene Gesetzesnovelle, um bei diesen Bemühungen flexibler zu werden.

Am Dienstag teilte Anja Stahmann, Bremens grüne Senatorin für Soziales, Jugend, Frauen, Integration und Sport, mit, dass sie eine Änderung des Polizeigesetzes zur Sicherstellung von Immobilien prüfe. Demnach soll der rot-grün regierte Stadtstaat die Möglichkeit bekommen, leer stehende Privat-Immobilien auch dann als Flüchtlingsunterkunft anmieten zu dürfen, wenn die Eigentümer das nicht wollen. "Wir können es uns in diesen Tagen nicht mehr erlauben, Immobilien dauerhaft leer stehen zu lassen, während wir gleichzeitig in den Turnhallen die Solidarität der Sportvereine in Anspruch nehmen und über tausend Menschen in Zelten unterbringen", sagte Stahmann.

Hamburger Vorstoß

In der vergangenen Woche hatte schon die rot-grüne Landesregierung Hamburgs mit Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) bekanntgegeben, eine solche Gesetzesinitiative bis Oktober durch die Bürgerschaft zu bringen, um die Flüchtlinge im bevorstehenden Winter nicht in Zelten unterbringen oder in die Obdachlosigkeit entlassen zu müssen. "Es geht nur um leer stehende gewerbliche Immobilien, nicht um privaten Wohnraum", sagte Till Steffen, Hamburgs grüner Justiz-Senator.

In Bremen sagte Sozialministerin Stahmann, sie habe in ihrem Haus einen Gesetzentwurf erstellen lassen, der an Hamburgs geplante Gesetzesnovelle "angelehnt" sei. Demnach soll das Land die Immobilien nur im Notfall und nur solange wie nötig beanspruchen dürfen. Gebäude mit einer Nutzfläche von weniger als 300 Quadratmetern seien von der Regelung ausgenommen sein, hieß es in einer Pressemitteilung. Wie in Hamburg sehe der Entwurf eine Befristung des Gesetzes bis März 2017 vor. "Wir wollen nicht ohne Not zu Zwangsmaßnahmen greifen. Eigentum steht unter dem Schutz des Grundgesetzes. Aber in Zeiten wie diesen gilt auch der Grundsatz: Eigentum verpflichtet", sagt Stahmann.

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Von Thomas Öchsner

Furcht um die Willkommenskultur

Kritiker halten solche Gesetzesinitiativen für einen Eingriff in die Eigentumsrechte. Andere fürchten um die Willkommenskultur - vor allem dort, wo öffentliche Träger Eigenbedarf anmelden und Mieter verdrängen.

Genau das ist laut der Nachrichtenagentur dpa in der Gemeinde Eschbach in Baden-Württemberg passiert. Nach einem Kündigungsbeschluss vom Februar komplimentiert die Gemeinde dort eine Mieterin aus einer gemeindeeigenen Dreizimmerwohnung, um darin Flüchtlinge unterzubringen. "Der Gemeinderat hat keine leichtfertige Entscheidung getroffen", sagte Bürgermeister Mario Schlafke, "die Alternative wäre, wir würden in der Turnhalle Betten aufstellen." Die Gemeinde habe der Mieterin angeboten, bei der Suche nach einer neuen Wohnung zu helfen. Die Frau, die 23 Jahre lang in der Wohnung lebte, will einen Rechtsanwalt einschalten.

Im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist es derzeit in der Diskussion, leer stehende Privatwohnungen im Gebäudekomplex Riehmers Hofgarten nach dem Allgemeinen Sicherheits-und Ordnungsgesetz vorübergehend gegen eine Entschädigung zu beschlagnahmen. In Tübingen hat der grüne Bürgermeister Boris Palmer wiederholt darauf hingewiesen, dass die Stadt Flüchtlinge in beschlagnahmtem Wohnraum unterbringen könne. Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann wiederum distanzierte sich von einer solchen Vorgehensweise: "Davon sind wir meilenweit entfernt." Das Ringen um den Platz für die Flüchtlinge wird noch lange andauern.

© SZ vom 30.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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