Wohngipfel der Kanzlerin:Was zu erwarten ist

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Die Bundesregierung setzt bei dem Treffen im Kanzleramt auf zusätzliche Wohnungen und geringere Baukosten.

Von Constanze von Bullion und Veronika Wulf

Es ist eine bunte Gruppe zusammengekommen in der Auferstehungskirche in Berlin-Friedrichshain: gut 250 Wissenschaftler und Aktivisten, Mitglieder aus Mietervereinen und interessierte Bürger. Manche tragen Anzug, manche Hawaiihemd, doch in der Sache scheinen die meisten einig: "Wohnen ist Menschenrecht". So heißt ein Motto des Alternativen Wohngipfels am Donnerstag in der umgebauten Kirche. Mieterbund, Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsorganisationen fordern eine gerechtere Wohnungspolitik - einen Tag vor dem Wohnungsgipfel der Bundesregierung, zu dem Angela Merkel (CDU) ins Kanzleramt eingeladen hat.

Auch einfachere Regeln sollen zur Entschärfung der Lage beitragen

Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU), Justizministerin Katarina Barley und Finanzminister Olaf Scholz (beide SPD) wollen am Freitag ein Maßnahmenpaket "Wohnraumoffensive" vorlegen - und mit Vertretern von Ländern und Kommunen, Architekten und Verbänden diskutieren. Im Vorfeld wurde bekannt, dass der Bund das Wohngeld für Geringverdiener im Jahr 2020 anheben will. Teilnehmer des Gipfels im Kanzleramt bestätigten einen Bericht des Redaktionsnetzwerk Deutschland, wonach dies in einer Beschlussvorlage vorgesehen ist. "Mit einer Wohngeldreform 2020 soll das Leistungsniveau und die Reichweite des Wohngeldes gestärkt werden", heißt es in dem Papier demnach. Der Alternative Wohngipfel liefert zum Treffen im Kanzleramt die kritische Begleitmusik. Wie können sich trotz Immobilienbooms und Gentrifizierung Kreative und Geringverdiener in Innenstädten behaupten?, fragen Teilnehmer. Wer stoppt Spekulation und behält Gemeinwohl und Nachhaltigkeit im Blick?

Vom Gipfel der Kanzlerin sei da wenig zu erwarten, sagt Andrej Holm, linker Ex-Baustaatssekretär aus Berlin und Stadtforscher: "Wenn man sich anschaut, wer da morgen zusammenkommt, sieht man: Es sind genau dieselben, die für die Wohnkrise verantwortlich sind." Holm präsentiert Grafiken wie Fieberkurven. 1,9 Millionen bezahlbare Wohnungen fehlten in deutschen Großstädten, Mietpreise steigen, Grundstückskosten ebenso. Die erste Kurve, die nach unten geht, zeigt das Volumen des staatlich geförderten Wohnungsbaus im Berlin.

Anders als nach der Wende, als Länder wie Berlin heftig gescholten wurden für hohe Schulden durch staatlich subventionierten Wohnungsbau, soll der Spieß nun umgedreht werden. "Wir brauchen deutlich mehr Sozialwohnungen, gerade auch mit Blick auf einkommens- und sozial schwächere Haushalte", sagt ein Sprecher von Bundesbauminister Seehofer. Union und SPD haben zwei Milliarden Euro für Sozialwohnungen zugesagt. Wie die Bundesregierung in dreieinhalb Jahren 1,5 Millionen Wohnungen bauen will, ist offen. "Durch den Neubau von Wohnungen ergeben sich Entlastungen auf den Wohnungsmärkten, die geeignet sind, den Anstieg der Miet- und Immobilienpreise zu begrenzen. Und durch mehr Baulandmobilisierung und Baukostensenkung können wir darauf hinwirken, dass diese Wohnungen auch bezahlbar sind", sagt Seehofers Sprecher. Voraussetzung sei, "dass Länder und Kommunen ihrer Verantwortung gerecht werden". Neben Baulandmobilisierung wird es also auch um Lastenteilung zwischen Bund und Ländern gehen.

© SZ vom 21.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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