Wissenschaftlicher Beirat:Wer künftig die Vereinten Nationen beraten wird

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Frank-Walter Steinmeier und UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon gemeinsam mit den Mitgliedern des Sachverständigenrats. (Foto: AFP)

Wissenschaftler aus der ganzen Welt sollen künftig die Vereinten Nationen in wichtigen Zukunftsfragen beraten. Vor allem bei Nachhaltigkeitsthemen wie Ernährungssicherheit, Klimawandel oder demografische Entwicklung soll der neue wissenschaftliche Beirat den UN-Organisationen zur Seite stehen. Die Mitglieder im Überblick.

Von Christopher Schrader, Berlin, Berlin

Das breite Spektrum der Fachrichtungen im Beirat ist Programm, sagte die Generaldirektorin der Unesco, Irina Bokova. Viele der Mitglieder zeigten sich hochmotiviert, globale Probleme wie Armut und die Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen zu behandeln, jeder aus seiner Perspektive. "Geschichte ist wie der Regenwald", erklärte zum Beispiel der Historiker Hilary Beckles aus Barbados in Berlin. "Wenn man nur genau hinschaut, findet man die Antwort auf viele Fragen darin."

Der Historiker Hilary Beckles sitzt in der Runde unter anderem neben dem Materialforscher Wole Soboyejo, der eine Stellung an der Princeton University aufgegeben hat, um in seinem Heimatland die neu gegründete African University zu leiten. Die Physikerin Fabiola Gianotti aus Italien hat 2012 als Sprecherin des Atlas-Experiments am Genfer Forschungszentrum Cern die Entdeckung des Higgs-Bosons verkündet; das sei eine "Entdeckung der Welt" gewesen, sagte sie, so international waren die Forscherteams besetzt.

Der Chinese Ke Gong setzt sich als Leiter der Nankai-Universität dafür ein, dass Informationstechnologie eine wichtige Rolle bei der wirtschaftlichen Entwicklung armer Länder spielt. Und Hayat Sindi aus Saudi-Arabien leitet dort das Institute for Imagination and Ingenuity, also für Vorstellungskraft und Einfallsreichtum - zumindest dem Namen nach der coolste Posten aller Mitglieder.

Etliche der Forscher aus ärmeren Ländern arbeiten zur Zeit an nordamerikanischen Universitäten. Das gilt für die Argentinierin Eugenia Kalnay, die an der University of Maryland atmosphärische Ozeanographie betreibt, genauso wie für Maria Ivanova aus Bulgarien, die sich in Boston mit Umweltpolitik beschäftigt.

Der Äthiopier Gebisa Ejata betreibt Agrarforschung an der Purdue University in Indiana, und Abdallah Darr aus Oman lehrt in Toronto Bioethik. Er möchte den Blick von den Problemen der Gegenwart auf die Chancen der Zukunft lenken: Es gebe "genug Wissen, um auf die nächste Stufe zu springen und über Gelegenheiten nachzudenken".

Bessere Kommunikation in der Wissenschaft

Einige der Forscher haben in ihren Heimatländern hohe Ämter: Die Kenianerin Judi Wakhungu ist Umweltministerin ihres Landes und setzt sich zum Beispiel für die Gewinnung geothermaler Energie ein. Der brasilianische Klimaforscher Carlos Nobre hat einen hohen Posten im Wissenschaftsministerium seines Landes. Der russische Physiker Vladimir Fortov leitet die Nationale Akademie der Wissenschaften in Moskau, der malayische Agrarwissenschaftler ist der oberste Wissenschaftsberater seines Premierministers.

Aus einem sehr menschlichen Grund konnte die australische Wissenschaftlerin Rosie Cooney, die sich mit Biodiversität beschäftigt, nicht zur Eröffnungssitzung in Berlin anreisen. Sie steht kurz vor der Geburt eines Kindes.

Mehrere der Forscher betonen, Wissenschaft müsse ihre Methoden und Erkenntnisse besser kommunizieren. Unter anderen fordert dies Rajendra Pachauri, der als Leiter des Weltklimarats IPCC wie kaum ein anderer daran gewöhnt ist, vor die Weltöffentlichkeit zu treten. "Dazu braucht man eine dicke Haut", sagt er. Das löst leises Gelächter bei den Zuhörern aus, schließlich ist Pachauri vielfachen Angriffen auf seine Organisation, aber auch auf seine Person ausgesetzt gewesen. "Manche Leute wollen die Wahrheit einfach nicht hören", erklärt er.

Nach der Vorstellung der Beiratsmitglieder trat in Berlin noch ein halbes Dutzend junger Wissenschaftler von verschiedenen Ländern an das Mikrofon, um Wünsche und Erwartungen an die älteren Forscher zu formulieren. Sie warben vor allem um eine Freigabe und Demokratisierung der Daten, die bei Experimenten und Studien erhoben werden.

Die Abonnements für internationale Fachzeitschriften zu bezahlen, fällt schließlich gerade Hochschulen in ärmeren Ländern schwer. Außerdem forderten die Nachwuchs-Wissenschaftler, Fortschritt nicht mehr in einem stetig anwachsenden Nationaleinkommen zu messen, sondern in sozialer Kohäsion und der Bewahrung natürlicher Lebensgrundlagen. "Die menschliche Entwicklung muss immer Vorrang vor Profitdenken haben", sagte einer der Forscher.

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