Wirtschaft:Bleibender Schaden durch Corona

Lesezeit: 2 min

Der Internationale Währungsfonds erwartet dauerhafte Folgen für die meisten Volkswirtschaften. Die Bundesbank befürchtet 6000 Pleiten deutscher Firmen im ersten Quartal des kommenden Jahres.

Von Cerstin Gammelin und Claus Hulverscheidt, Berlin

Die Weltwirtschaft wird nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) noch lange mit den Folgen der Corona-Pandemie zu kämpfen haben. "Die meisten Volkswirtschaften werden einen bleibenden Schaden davontragen", heißt es im jüngsten Konjunkturbericht, den der IWF am Dienstag vorlegte. Zu den Spätfolgen der Rezession, die das Wachstum dämpfen werden, könnten demnach Firmenpleiten, ein Beschäftigungsabbau, eine weiter sinkende Produktivität sowie niedrigere Investitionen gehören. Zudem müssten sich ganze Wirtschaftsbereiche, etwa die Reisebranche, auf ein verändertes Verbraucherverhalten einstellen. Auch die Bundesbank warnte vor einer Pleitewelle.

Zumindest die Aussichten für 2020 sind laut IWF aber nicht ganz so düster wie zuletzt befürchtet. Weltweit dürfte die Wirtschaftsleistung dieses Jahr um 4,4 statt, wie noch im Juni erwartet, um 5,2 Prozent sinken. Besonders scharf fällt die Revision für die USA aus, die nach der Teilwiedereröffnung von Fabriken, Geschäften und Restaurants mit einem Rückgang von "nur" 4,3 statt acht Prozent rechnen müssen. Auch in Deutschland sei die Lage mit minus 6,0 (Juni: minus 7,8) Prozent nicht ganz so dramatisch. Aus der Bundesregierung verlautete, man erwarte für die kommenden Monate weiter "massive Auswirkungen von Covid-19" auf die Wirtschaftslage. "Wir müssen uns auf einen schwierigen Herbst und Winter einstellen", hieß es.

Das eigentliche Problem für die Weltwirtschaft sind laut IWF aber nicht die kurz-, sondern die mittelfristigen Perspektiven. In Deutschland etwa rechnen die Experten für 2021 zwar mit einer Rückkehr zum Wachstum, mit 4,2 Prozent dürfte das Plus aber um 1,2 Punkte geringer ausfallen als noch im Juni erhofft. Das heißt, dass die hiesige Wirtschaft selbst Anfang 2022 das Niveau von vor der Pandemie noch nicht wieder erreicht haben wird. Verglichen mit der letzten IWF-Prognose von vor der Krise werden dem Land damit bis Ende nächsten Jahres schon mehr als 200 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung fehlen.

Laut Bundesbank muss sich Deutschland darauf einstellen, dass allein im ersten Quartal des kommenden Jahres rund 6000 Firmen pleitegehen werden. Das wären 35 Prozent mehr als vor Corona. Die meisten Konkurse werden bei Unternehmen erwartet, die Dienstleistungen anbieten, diese aber wegen der Pandemie nicht mehr verkaufen können. Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch sagte, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie seien wegen der schnellen und umfassenden Hilfen der Bundesregierung bei vielen Bürgern bisher noch kaum angekommen.

Dem IWF zufolge müssen sich die Industrieländer darauf einstellen, dass sich ihr jährliches durchschnittliches Wachstum mittelfristig bei gerade einmal 1,7 Prozent einpendeln wird. Dies treffe vor allem Frauen, Geringqualifizierte und Arbeitnehmer ohne Festanstellung. Auch Kinder, die aufgrund langer Schulschließungen Bildungsrückstände aufwiesen, dürften zu den Verlierern gehören. Zudem habe Corona alle Fortschritte, die man seit den 90er-Jahren weltweit beim Abbau extremer Armut erreicht habe, zunichtegemacht.

© SZ vom 14.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: