Wirecard:Rufmord

Finanzaufsicht und Staatsanwaltschaft haben das Ansehen zweier Journalisten beschädigt - und das des Staates.

Von Nicolas Richter

Der flüchtige Wirecard-Manager und mutmaßliche Betrüger Jan Marsalek klagte oft darüber, Opfer einer character assassination zu sein: Er werde von Journalisten der Financial Times verleumdet, sei Opfer eines Rufmords. Wie man längst weiß, waren die Enthüllungen der Zeitung über Wirecard stets akkurat und legitim. Dennoch wurden die beiden Reporter lange verdächtigt, die eigentlichen Gauner zu sein; und zwar nicht nur von Marsalek, sondern auch von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) und von der Staatsanwaltschaft München. Erst in dieser Woche haben die Münchner Ermittler das Strafverfahren gegen die Reporter eingestellt. Das war nicht nur überfällig. Vielmehr hätte es dieses fehlgeleitete Strafverfahren nie geben dürfen.

Marsalek, ein virtuoser Manipulator, hat die Staatsanwaltschaft bewusst auf eine falsche Fährte gelenkt, und die Bafin hat auch aufgrund dieser Einflüsterungen eine Strafanzeige gegen die Journalisten wegen Verdachts der Marktmanipulation erstattet, die nicht nur von falschen Prämissen ausging, sondern auch von einem verfehlten Verständnis von Journalismus zeugte. Die Aufklärung dieser unglaublichen Verirrung muss zu den zentralen Aufgaben des Untersuchungsausschusses im Bundestag gehören.

Der Fall Wirecard ist eine Staatsaffäre, deren Pointe darin liegt, dass der Staat leider jene verfolgte, die als Einzige den Überblick behalten hatten. Die Behörden haben damit den Ruf der verdienstvollen Reporter beschädigt, aber auch den Ruf des Staates selbst.

© SZ vom 05.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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