Wirbel um Ulla Schmidt:Der Dienstwagen - Stoff für Affären und Affärchen

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Ulla Schmidt ist nicht die Erste, die wegen ihres Dienstwagens von sich reden macht. Der Gebrauch des Autos ist auf der Skala der möglichen Vergehen zwar nicht hoch anzusiedeln, provoziert aber dennoch regelmäßig den großen Aufschrei.

Hans Leyendecker

Eigentlich hätte Ulla Schmidt gewarnt sein müssen. Schon vor gut zwei Jahren interessierte sich die Nation für ihren Dienstwagen. Spezialisten waren ausgeschnürt um festzustellen, wie viel Kohlendioxid die Karossen der Spitzenpolitiker pro Kilometer verströmten. 286 Gramm meldeten die Blätter bei der Ministerin, die früher mal gekellnert hat. War der Ausstoß Ihres Autos schlimmer als ihr Aachener Singsang?

Als sie ihn noch hatte: Gesundheitsministerin Ulla Schmidt in ihrem Dienstwagen. (Foto: Foto: dpa)

Dienstwagen sind für Politiker nicht nur rollende Büros, sondern im politischen Alltagsbetrieb brandgefährlich, weil die Karossen immer wieder Stoff für Affären und Affärchen liefern können. Denn oft sind es die kleinen, alltäglichen Geschichten, die für den größten Unmut sorgen.

Sie sind auf der Skala der möglichen Vergehen nicht hoch anzusiedeln, aber animieren, weil sie schön einfach sind, zu einfachen Fragen: Warum braucht die Ministerin im Urlaub ihren Dienstwagen? Die Geschichte der Republik ist eine Geschichte der Dienstwagenaffären.

Wenn einer was geworden ist, wird sein Umgang mit dem Auto kritisch beäugt. Vor einem knappen Vierteljahrhundert war Thema, dass der damalige Bundesjustizminister Hans A. Engelhard (FDP) für eine Reise nach Ungarn, wo das Auto nur gut hundert Kilometer zurücklegen sollte, den Katalysator ausbauen ließ, weil es in Ungarn damals noch kein bleifreies Benzin gab. Kosten: umgerechnet 1500 Euro. Dabei hätten ihm die Ungarn sicherlich einen Wagen zur Verfügung gestellt.

Ein Abteilungsleiter im Bundespresseamt wurde Anfang der neunziger Jahre heftig kritisiert, weil seine Frau im Dienstwagen zum Friseur fuhr. Im politischen Kampf setzten die Parteifreunde der aufmüpfigen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) den Dienstwagen ein.

Die Präsidentin oder ihre "Beauftragten" durften auf drei Wagen zurückgreifen und ihr Ehemann, der sie oft in Bonn abholte, war im Bundestags-Mercedes auch privat an die Uni in Düsseldorf gefahren, nachdem er sie nächtens bei Einladungen begleitet hatte: Skandal, Skandal, riefen die Parteifreunde und auch Medien.

Der Dienstwagen - Anlass für Geraune

Nichts dran, erklärte der Staatsanwalt nach langer Prüfung. Weil Vater Süssmuth bei einem Umzug der Tochter einen Fahrer des Bundestags samt Lieferwagen um Umzugshilfe gebeten hatte, wurde gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Er zahlte umgerechnet 2500 Euro Strafe.

Selbst Fahrten ehemaliger Bundespräsidenten wie Johannes Rau, Roman Herzog und Richard von Weizsäcker waren gelegentlich Gegenstand von öffentlichen Erörterungen. Fast immer fand sich jemand, der über eine mögliche Affäre raunte.

Der Bundesrechnungshof hat Dienstwagen-Schlampereien gern zum Anlass genommen, genauere Regeln für die Benutzung der Autos zu verlangen. Und der Steuerzahlerbund hat über die Jahre eifrig Dienstwagen-Geschichten aufgelistet.

Ein Skandal war beispielsweise, dass sich der Bad Homburger Bürgermeister, der in Mainz wohnte, zum Arbeitsplatz kutschieren ließ. Der frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf musste einmal umgerechnet 4200 Euro für die private Nutzung von Dienstwagen und Fahrbereitschaft nachzahlen.

Die größte Dienstwagenaffäre der Republik ist nur noch den Älteren ein Begriff. Sie ist mit dem Namen Hans Kilb verbunden - der Jurist war der ehemalige persönliche Referent (1951 bis 1958) des ersten Kanzlers der Republik, Konrad Adenauer.

"Wo isch mei Audo?"

Kilb hatte Adenauer davon abgehalten, einen BMW als Dienstwagen anzuschaffen. Im Gegenzug hatte er von Mercedes mindestens acht Leihwagen erhalten - darunter Cabrioletts des alten Traumtyps 190L. Kilb sollte am Bonner Landgericht der Prozess gemacht werden, aber höhere Mächte sorgten durch eine Veränderung des Geschäftsverteilungsplans dafür, dass einem als Prominenten-Schreck bekannten Richter der Fall entzogen und einem sehr verständigen Richter zugeordnet wurde.

Der lehnte dann die Eröffnung der Hauptverhandlung mit dem Hinweis ab, Kilb habe die Wagen nur als "Diener des Parteipolitikers Adenauer" gefahren. Als "Sicherheits- und Sauberkeitsdirektor" wechselte Kilb dann nach Brüssel zur Euratom.

Auch im Ausland liefert die private Nutzung von Dienstwagen Stoff für Affären. Reporter des Magazins Newsweek hatten Anfang der neunziger Jahre herausgefunden, dass der damalige umstrittene Stabschef des US-Präsidenten George Bush, John Sanunu, sich von Washington nach New York in einer Limousine des Weißen Hauses hatte chauffieren lassen, um bei einer Auktion seltener Briefmarken mitbieten zu können. Der Stabschef habe während der Fahrt Bürokram erledigt und wichtige Telefongespräche geführt, erklärte das Weiße Haus.

Am Ende der Dienstzeit fällt manchem Politiker der Abschied vom Dienstwagen nicht leicht. Spitzenpolitiker a. D. müssen nicht nur lernen, wieder allein zu telefonieren, sondern auch, auf den Wagen zu verzichten.

Der ehemalige FDP-Wirtschaftsminister Helmut Haussmann witzelte vor dem Abgang des damaligen Außenministers Klaus Kinkel (FDP) 1998, der rufe "doch gleich los: Heilandsack, wo isch mei Audo?" Kinkel ist mit dem Trennungsschmerz und dem Verlust der Macht dann doch gut zurechtgekommen. Auch die eigentlich bodenständige Ulla Schmidt kann das schaffen.

Politiker betonen selbst gern, dass sie nur auf Zeit gewählt sind. Nur Herrscher bleiben ewig in ihrer Welt und verlangen die alten Privilegien.

Als sich Kaiser Wilhelm II. 1933 ins Exil im niederländischen Doorn einen neuen Mercedes mit Panzerplatten, kugelsicherem Glas und dem für seine Kriegsschiffe typischen grauen Lackanstrich bringen ließ, war er zwar schon 15 Jahre außer Diensten, aber nach Besichtigung des neuen Gefährts stellte er einen gewaltigen Ausstattungsmangel fest: "Wo haben Sie denn die Taschen für meine Generalstabskarten angebracht? Die fehlen ja."

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