Weltwirtschaft:Das neue Wettrüsten

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Durch die Börsen jagt eine weltweite Schockwelle. Der Dax rauscht am Morgen zuerst um 2,8 Prozent nach unten, um sich dann wieder zu erholen - die Unsicherheit in der Wirtschaft ist groß. (Foto: Michael Probst/AP)

Will er seine Wähler nicht sofort verprellen, wird Trump seine Wirtschaftspläne wahr machen. Die Welt sollte sich auf Schockwellen gefasst machen.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Wer wissen wollte, welche Schockwellen da in den nächsten Monaten noch auf die Weltwirtschaft zurollen könnten, der musste sich in der Nacht zu Mittwoch nur ein einziges Schaubild ansehen. Tagelang war der Kurs des mexikanischen Pesos zum Dollar vor sich hin gedümpelt, doch jetzt, um kurz nach zwei Uhr morgens deutscher Zeit, da sich in den USA das Präsidentschaftsrennen zugunsten von Donald Trump zu drehen begann, kannte die Währung des Nachbarlands plötzlich nur noch eine Richtung: steil abwärts. Binnen weniger Stunden brach der Peso um über zehn Prozent ein - und das auf einem Markt, auf dem sonst Kursschwankungen im Zehntelbereich schon für Stirnrunzeln sorgen.

Auch wenn sich die Panik auf den Devisen- und Aktienmärkten der Welt erst einmal wieder legte: Die Nervosität ist symptomatisch - und sie wird bleiben. Zwar ist noch ungewiss, ob der künftige Präsident allen starken Worten auch Taten folgen lassen wird, ob er wirklich eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen, Strafzölle auf US-Importe aus China einführen, Freihandelsverträge aussetzen und Klimapakte ignorieren wird. Klar aber ist: Trumps Wahlsieg stellt die Nachkriegswirtschaftsordnung, die auf offenen Grenzen, zunehmender Verflechtung und immer weiter gehender Arbeitsteilung beruht, auf den Kopf.

Vereinzelt waren am Mittwoch bereits Stimmen ausländischer Politiker zu hören, wonach die Realität Trump rasch einholen und zu einer deutlich gemäßigteren Herangehensweise veranlassen werde. Wer sich dieser Hoffnung ernsthaft hingibt, wird bald schon umso unsanfter aufwachen. Trump hat im Wahlkampf eine radikale wirtschaftspolitische Wende versprochen - und er wird diese Wende in Gang setzen müssen, will er seine Wähler nicht gleich zu Beginn seiner Amtszeit verprellen.

Die Steuern für Unternehmen und insbesondere gut verdienende Bürger werden deshalb schon bald drastisch sinken. Die Gesundheitsreform des noch amtierenden Präsidenten Barack Obama, die 20 Millionen Amerikanern erstmals einen Krankenversicherungsschutz gebracht hat, deren Kosten aber zuletzt explodierten, wird - durch was auch immer - ersetzt. Die Umwelt- und Klimaauflagen für die US-Industrie werden deutlich gelockert. Die Verlagerung amerikanischer Jobs ins Ausland wird erschwert. Freihandelsverträge wie das nordamerikanische Nafta-Abkommen werden überprüft, Nachfolgeprojekte wie das transpazifische Abkommen TPP und das europäisch-amerikanische Pendant TTIP gar nicht erst in Kraft gesetzt. Die Folgen dieser Politik werden spürbar sein - in den Büchern deutscher Ausfuhrunternehmen ebenso wie in den USA selbst, wo viele Firmen nicht minder exportabhängig sind.

Doch es sind nicht nur die unmittelbaren, sondern auch die mittelbaren Konsequenzen der Umbaupläne, die das Ausland beschäftigen müssen. Trumps Steuerkonzept etwa könnte einen neuen globalen Wettlauf um möglichst niedrige nationale Unternehmenssteuersätze in Gang setzen. Globale Absprachen für mehr Klima-, Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz dürften schwieriger werden, weil Trump schon das Gros der bestehenden Auflagen für Unternehmen als Job-Killer abschaffen will. Auch der ohnehin zähe Kampf um die Trockenlegung von Steueroasen und die Eindämmung von Finanztricksereien großer Konzerne könnten einen Dämpfer erhalten, wenn ein bekennender "Steueroptimierer" ins Weiße Haus einzieht. Gleiches gilt für Bemühungen, weltweit die Banken stärker und einheitlicher zu regulieren.

Die gravierendsten Folgen aber dürfte Trumps Versuch haben, die Globalisierungsuhr zurückzudrehen und die US-Wirtschaft wieder viel stärker auf nationale Produktion und Konsum auszurichten. "America first!" lautete einer seiner Wahlkampfslogans - ein Konzept, mit dem der künftige Präsident nicht zuletzt den Aufstieg Chinas zur zweitgrößten, bald größten Volkswirtschaft der Welt bremsen will, den er offensichtlich als Schmach empfindet. Trump könnte ein regelrechtes handelspolitisches Wettrüsten in Gang setzen, denn man darf davon ausgehen, dass die Regierung in Peking die Verhängung von US-Strafzöllen auf Stahlimporte aus China nicht einfach hinnehmen, sondern mit Handelsbeschränkungen für amerikanische Einfuhren beantworten würde.

Ein solches Wettrüsten würde nicht nur das bilaterale Verhältnis der beiden Supermächte massiv belasten, sondern auch die Arbeit der G 20 lahmlegen, jenes Klubs der führenden Industrie- und Schwellenländer, der sich seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 darum bemüht, durch eine Verzahnung nationaler wirtschaftspolitischer Strategien weltweit Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Schon heute leidet der lose Staatenverbund darunter, dass die Interessen seiner Mitglieder oft kaum übereinander passen - dass etwa der Öl-Riese Saudi-Arabien anderes im Sinn hat als der Energie-Emporkömmling USA, oder dass Deutschland mehr sparen will als Japan. Wenn sich nun mit den USA und China die beiden führenden Mitglieder gegenseitig blockieren sollten, könnte es mit den Koordinierungsversuchen der G 20 endgültig zu Ende sein.

© SZ vom 10.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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