Weißrussland:Einer der beiden U-Bahn-Attentäter von Minsk hingerichtet

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Trotz massiver Zweifel an der Urheberschaft ist knapp ein Jahr nach dem Bombenanschlag auf die U-Bahn von Minsk einer der beiden verurteilten Täter hingerichtet worden. Weißrussland ist das letzte Land in Europa, das noch die Todesstrafe vollstreckt.

Die Familie des 26-jährigen Wladislaw Kowalew sei von den Behörden über die Hinrichtung durch Erschießung informiert worden, sagte die Schwester des Getöteten am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. Nach Angaben der Menschenrechtsgruppe Wiasna erhielt die Mutter des Hingerichteten am Freitag einen kurzen Brief vom Obersten Gerichtshof des Landes. Darin sei sie darüber informiert worden, dass das Todesurteil an ihrem Sohn vollstreckt worden sei und sie die Sterbeurkunde abholen könne. Keine Angaben wurden demnach dazu gemacht, ob auch die Leiche an die Familie übergeben werden soll.

Die Mutter Kowalews hatte unermüdlich für das Leben ihres Sohnes gekämpft. Sie appellierte an den UN-Menschenrechtsrat, bat beim weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko um Gnade und reiste zum Europarat nach Straßburg. "Unserer Mutter geht es jetzt sehr schlecht, sie kann nicht sprechen", sagte die Tochter AFP am Samstag. "Wir werden nicht aufhören, wir werden Wladislaws Ehre wiederherstellen." Es sei zu hoffen, dass "nie wieder ein Unschuldiger erschossen" werde.

Der Oberste Gerichtshof hatte Kowalew und den ebenfalls angeklagten Dmitri Konowalow Ende November wegen des Anschlags auf die Minsker U-Bahn-Station Oktjabrskaja am 11. April zum Tode verurteilt. Damals waren 15 Menschen getötet und mehr als 160 verletzt worden. Der Bahnhof liegt in der Nähe des Büros und der Residenz Lukaschenkos. Nach dem Anschlag waren Spekulationen aufgekommen, die Regierung selbst könnte für die Tat verantwortlich sein, weil sie ein hartes Vorgehen gegen innenpolitische Gegner rechtfertigen wollte. Der Anschlag ereignete sich zeitgleich mit der Niederschlagung regierungskritischer Proteste. Am Mittwoch hatte Lukaschenko eine Begnadigung abgelehnt. Sowohl die Bundesregierung als auch die Europäische Union hatten daraufhin gefordert, die Hinrichtung aufzuhalten.

Guido Westerwelle erklärte nach der Vollstreckung des Urteils, er bedauere, dass Lukaschenko "alle internationalen Appelle, das Todesurteil nicht zu vollstrecken, ignoriert hat". Zugleich forderte der FDP-Politiker die weißrussische Führung auf, das Todesurteil gegen den zweiten Verurteilten auszusetzen.

Die Osteuropa-Expertin der Grünen, Marieluise Beck, erklärte, mit Kowalew sei ein "weiteres Opfer der weißrussischen Willkürjustiz" zu beklagen. Bei dem Verfahren habe es sich um einen "Schauprozess nach stalinistischer Manier" gehandelt mit dem Ziel, die "Spuren zu verwischen, die in das Zentrum von Lukaschenkos Regime selber weisen".

Kowalew hatte auf nicht schuldig plädiert und erklärt, ein früheres Geständnis sei unter Druck zustande gekommen. Konowalow dagegen hatte sich schuldig bekannt. Sein Schicksal ist indes unklar. Nach Angaben der Schwester Kowalews stehen die beiden Familien nicht in Kontakt. Sie wisse nicht, ob Konowalow noch lebe. Weißrussland ist das letzte Land in Europa, das noch die Todesstrafe vollstreckt.

Offizielle Statistiken zur Zahl der Hingerichteten gibt es nicht. Nach Angaben des inzwischen nach Deutschland geflohenen früheren Scharfrichters des Landes wird den Gefangenen von hinten in den Kopf geschossen, anschließend werden sie an einem unbekannten Ort begraben.

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