Wahlkampf in Israel:Aus dem Militär in die Politik

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Benny Gantz auf den Golanhöhen (Foto: AFP)
  • Das erste Mal seit Jahren hat Israels Premierminister Netanjahu bei einer Wahl mit einem echten Herausforderer zu kämpfen.
  • Benny Gantz stammt aus dem Militär und rückt diesen Aspekt in seinem Wahlkampf immer wieder in den Fokus.
  • In den vergangenen Jahrzehnten wurden mit Jitzhak Rabin, Ehud Barak und Ariel Scharon drei Ex-Generäle Ministerpräsidenten.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Seine Berater hatten den strategisch wichtigen Aussichtspunkt Mizpe Ronen gewählt, von dem aus man einen guten Überblick auf Gebiete im Nachbarland Syrien und die Stadt Quneitra hat. Von dieser Anhöhe aus versprach Benny Gantz, Israel werde niemals die Golanhöhen aufgeben. Im Gegenteil: Man werde die Region dichter besiedeln und auf internationale Anerkennung der Golanhöhen als Teil Israels drängen. Israel hatte die Golanhöhen im Sechs-Tage-Krieg 1967 von Syrien erobert und 1981 annektiert.

Es war eine Inszenierung: Gantz wie ein Feldherr auf einem Hügel, flankiert von zwei weiteren Ex-Armeechefs, Mosche Yaalon und Gabi Aschkenazi. Der Vierte im Bunde und einzige ohne Militärkarriere, Jair Lapid, hob sich mit seiner braunen Lederjacke auch optisch von den schwarz gekleideten Ex-Generälen ab. Sie führen das blau-weiße Bündnis, das laut Umfragen Chancen hat, die Wahlen am 9. April zu gewinnen. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu vom rechtsnationalen Likud ist nicht nur mit Anklagen wegen Bestechlichkeit, Betrug und Untreue in drei Korruptionsfällen konfrontiert, sondern zum ersten Mal seit Jahren auch mit einem ernst zu nehmenden Herausforderer.

Sicherheit ist neben den Korruptionsvorwürfen gegen Netanjahu derzeit das einzige Thema im Wahlkampf. Die Spannungen mit den Palästinensern nehmen in diesen Tagen wieder zu: Im Westjordanland, entlang des Gazastreifens und am Jerusalemer Tempelberg. Dazu kommt noch das fragile Verhältnis zu den Nachbarstaaten. Nur mit Ägypten und Jordanien hat Israel einen Friedensvertrag. Die Beziehungen zum Libanon und zu Syrien sind angespannt, Israel will dort eine Ausbreitung Irans mit Luftangriffen verhindern.

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(Foto: Jalaa Marey/AFP)

Diese Herren führen das neue Bündnis an: Gabi Aschkenazi, Jair Lapid, Benny Gantz und Mosche Yaalon (von links).

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(Foto: Gali Tibbon/AFP)

Auch Ariel Scharon ...

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(Foto: REUTERS)

... und Ehud Barak (l.) sowie Amnon Lipkin-Shahak waren einst Generäle, bevor sie in die Politik gingen.

Das neue blau-weiße Bündnis hat gleich drei ehemalige Armeechefs positioniert

Gantz, der bis vor drei Jahren als Generalstabschef der oberste Militärführer war, kennt all diese Herausforderungen. Als Politiker versucht Gantz nun, den Wählern den Eindruck von Führungsstärke und Sicherheit zu vermitteln. Dazu gehört auch die Zusicherung, dass die Golanhöhen von ihm nicht aufgegeben werden.

Das neue Bündnis hat auf den ersten vier Listenplätzen gleich drei ehemalige Armeechefs positioniert - für den israelischen Politikwissenschaftler Ofer Kenig ist das ein kluger Schachzug: "Die einzige Möglichkeit, die rechte Regierung von Benjamin Netanjahu herauszufordern, ist zu versuchen, moderate rechte Wähler zu überzeugen, sich politisch mehr in Richtung Zentrum zu bewegen. Die Konzentration von so vielen Ex-Generälen an der Spitze ist daher eine kluge Strategie." Kenig, der am Israel Democracy Institute forscht, verweist darauf, dass Sicherheit für den durchschnittlichen Bürger das wichtigste Thema ist. "Die Präsenz von Politikern mit Armeehintergrund ist aber kein neues Phänomen in Israel. Politiker mit einer Militärkarriere waren schon immer Teil der politischen Landschaft."

In den vergangenen Jahrzehnten wurden mit Jitzhak Rabin, Ehud Barak und Ariel Scharon drei Ex-Generäle Ministerpräsidenten. Scharon, zwischen 2001 und 2006 Premier, war bis zum Jom-Kippur-Krieg 1973 an allen militärischen Auseinandersetzungen der israelischen Armee zumeist in Führungsposition beteiligt. Der als Hardliner auftretende Politiker des Likud und der Kadima-Partei überraschte allerdings, als er 2005 den Befehl zur Räumung aller jüdischen Siedlungen im Gazastreifen gab.

Für Kenig, der auch Autor des 2018 erschienen Buches From Party Politics to Personalized Politics ist, "sind linke und mitte-links stehende Parteien sogar noch abhängiger von der Präsenz von Kandidaten mit einer Laufbahn in der Armee". Auch die Arbeitspartei Awoda hat mit Tal Russo noch einen Ex-General auf Platz zwei der Liste für die Wahl im April gehievt. Denn die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit sei, dass Politiker, die nicht dem rechten Lager angehören, eher bereit seien, Friedensverhandlungen zu führen sowie arabischen Nachbarn und Palästinensern Zugeständnisse zu machen, erklärt Kenig: "Wenn israelische Wähler in Betracht ziehen, diese Ansichten zu unterstützen, dann fühlen sie sich sicherer, wenn in diesen Parteien Personen sind, die mit Herausforderungen im Sicherheitsbereich umgehen können."

"Es besteht in Israel nicht die Gefahr, dass es einen Militärcoup geben könnte", sagt Ofer Kenig

In den ersten 29 Jahren nach der Staatsgründung haben ausschließlich Politiker der Arbeitspartei den Ministerpräsidenten gestellt und die Geschicke des Landes bestimmt. Mit Menachim Begin kam erstmals 1977 der Likud an die Macht. "Die einzigen Wahlen, die die Linke seither gewinnen konnte, waren mit Kandidaten, die ehemalige Armeechefs waren: 1992 mit Rabin und 1999 mit Barak. Militärerfahrung ist eine Erfolgsformel. Einen Ex-General als Premierministerkandidaten zu haben, erhöht die Wahlchancen", sagt Kenig.

Mit Rabin und Barak verbindet der derzeitige Netanjahu-Herausforderer Gantz, dass jeder von ihnen einmal Generalstabschef war. Mit einem anderen Vorgänger will er lieber nicht verglichen werden: Amnon Lipkin-Shahak galt Ende der Neunzigerjahre als aussichtsreichster Herausforderer von Netanjahu, stolperte aber über eigene Fehler. Das Rennen machte schließlich Barak, der 1999 die Wahl gewann und Netanjahu nach seiner ersten Amtszeit als Regierungschef ablöste. Aber in Israel wird nicht ein Vergleich mit Barak diskutiert, sondern die Frage, ob Gantz als Regierungschef eher in der Tradition Rabins agieren würde oder doch mehr wie Scharon, der abgesehen vom Siedlerabzug aus Gaza zu keinen Zugeständnissen gegenüber den Palästinensern bereit war.

Die meisten von Gantz' 19 Vorgängern als Generalstabschef hat es in die Politik gezogen: Elf wurden Abgeordnete in der Knesset, zehn Minister, zwei Ministerpräsidenten. Nur drei haben nach dem Ende ihrer militärischen Karriere der Versuchung, in die Politik zu gehen, widerstanden.

Dass eine derartige Konzentration von Ex-Generälen wie derzeit beim blau-weißen Bündnis die demokratischen und zivilen Normen in Israel gefährden könnte, diese Gefahr sieht Kenig nicht - "weder als Staatsbürger noch als Politikwissenschaftler", wie er betont: "Es besteht in Israel nicht die Gefahr, dass es einen Militärcoup geben könnte." Seit 2007 schreibt in Israel ein Gesetz vor, dass zwischen Ausstieg aus der Armee und Einstieg in die Politik drei Jahre liegen müssen. "Das reduziert das Risiko, dass militärische Interessen in die Politik transferiert werden."

© SZ vom 07.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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