Wahlen:Hindu-Nationalisten gewinnen Wahl in Indien

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Neu Delhi (dpa) - Die weltgrößte Demokratie Indien steht vor einer neuen Ära. Bei der Parlamentswahl musste die bisher regierende Kongresspartei der Gandhi-Familie, die das Land seit Jahrzehnten prägt, eine historische Niederlage einstecken.

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Neu Delhi (dpa) - Die weltgrößte Demokratie Indien steht vor einer neuen Ära. Bei der Parlamentswahl musste die bisher regierende Kongresspartei der Gandhi-Familie, die das Land seit Jahrzehnten prägt, eine historische Niederlage einstecken.

Dagegen kamen die Hindu-Nationalisten der BJP und ihre Verbündeten auf eine absolute Mehrheit im Unterhaus, wie die Wahlkommission am Freitag mitteilte. Die Allianz sicherte sich mindestens 288 der 543 Sitze. Viele der 1,2 Milliarden Inder erhoffen sich von der neuen Führung wieder mehr Wachstum, Entwicklung und neue Jobs. Die Wahlbeteiligung lag mit 66 Prozent so hoch wie nie zuvor.

Da zunächst noch nicht alle Wahlkreise ausgezählt waren, blieb unklar, ob die BJP des unternehmerfreundlichen Spitzenkandidaten Narendra Modi auch ohne Partner durchregieren kann. Dies hatte seit 30 Jahren keine Partei mehr geschafft. In jedem Fall wird Modi der nächste Premierminister der Atommacht. Nach dem Wahlsieg sagte der charismatische Politiker, er werde Indien in eine neue Zukunft führen. „Jede Sekunde werde ich nun für das Land da sein.“

Das Votum ist eine schallende Ohrfeige für die Kongresspartei, die die Geschicke des Landes seit der Unabhängigkeit 1947 die meiste Zeit über gelenkt hatte. Nun konnte die altehrwürdige Partei laut Wahlkommission nur etwa 44 Wahlkreise für sich entscheiden - das wäre nicht einmal ein Viertel der bisherigen Sitze. Viele Wähler machen sie für die überall grassierende Korruption, steigende Lebensmittelpreise und hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich.

Insgesamt hatten in den vergangenen Wochen mehr als eine halbe Milliarde Inder abgestimmt, 815 Millionen waren wahlberechtigt. Damit handelte es sich um die größte Wahl der Menschheitsgeschichte.

Das Ergebnis zeige den Wunsch vieler Inder nach besseren Wirtschafts- und Lebensverhältnissen, meinen Analysten. Modi hatte als Regierungschef im Bundesstaat Gujarat die Verwaltung verschlankt und große Unternehmen angesiedelt. Er präsentierte sich im Wahlkampf als Macher, der das Land reformieren kann, Straßen und Stromleitungen baut und finanzstarke Investoren ins Land holt.

Allerdings werfen Menschenrechtler Modi auch eine politische Mitverantwortung für ein Massaker an mehr als 1000 Muslimen in seinem Bundesstaat Gujarat im Jahr 2002 vor. Damals waren wochenlang Hindu-Mobs mordend und brandschatzend durch muslimische Viertel gezogen, ohne dass die Polizei wirksam einschritt. Modi versprach nun, er werde als Staatschef für alle sorgen. „Ich möchte jedem versichern, dass wir alle auf die Reise mitnehmen werden.“

Zahlreiche Christen und Muslime fürchten mit dem Sieg der Hindu- Nationalisten eine stärkere Ausgrenzung religiöser Minderheiten. „Die hindunationalistischen Strömungen bedrohen seit vielen Jahren die Religionsfreiheit im Lande und haben in der Vergangenheit immer wieder zu gewalttätigen oder gar pogromartigen Übergriffen auf Muslime und Christen geführt“, sagte Bettina Leibfritz, Indien-Referentin des Internationalen Katholischen Missionswerks missio. Die Vielfalt und der Pluralismus des Landes seien in Gefahr.

BJP-Gründer und Parteichef L.K. Advani bezeichnete das Votum als „historisches Ergebnis“. „Es zeigt, dass die Stimmung im Land sich gegen Korruption wendet und gegen eine dynastische Politik.“ Damit meinte er Kongresspartei-Chefin Sonia Gandhi und Sohn Rahul Gandhi, der den nun taumelnden Kongress im Wahlkampf anführte.

Beide übernahmen die Verantwortung für die Niederlage, ohne Konsequenzen anzukündigen. „Es gibt viel, über das wir nachdenken müssen“, sagte Rahul Gandhi. Indiens Noch-Premierminister Manmohan Singh gratulierte Modi bereits vor Ende der Stimmauszählung telefonisch zum Wahlsieg.

Vor der BJP-Parteizentrale in Neu Delhi trommelten, sangen und tanzten die Menschen den ganzen Tag lang ununterbrochen. „Modi, Modi“, riefen sie. Zirkusdarsteller liefen auf Stelzen umher, während andere Parteifreunde Feuerwerke zündeten. Köche hatten 2,5 Tonnen Laddus vorbereitet, kugelige Süßspeisen, die traditionell bei Feiern gegessen werden. Die Menschen steckten sie sich gegenseitig in den Mund - ein Ritual in Indien, um sich zu gratulieren.

Die indischen Aktienmärkte bejubelten den Wahlsieg der Opposition. Der Börsen-Leitindex Sensex legte nach üppigen Kursgewinnen in den Vortagen am Freitag nochmals um 0,9 Prozent auf 24 121 Punkte zu. Bernstein-Analyst Neil Beveridge zufolge feiern die Kapitalmärkte, weil Modi als Reformer gilt, der die Investitionstätigkeit in Indien wieder beleben und frisches ausländisches Kapital anziehen kann.

Insgesamt hatte sich die Abstimmung über fünf Wochen hingezogen, damit Wahlhelfer die gigantische Wahl organisieren und Sicherheitskräfte die Wahllokale bewachen konnten. Angetreten waren 8251 Kandidaten, darunter 668 Frauen und 5 Transsexuelle.

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