Wahlen:Der konservative Überflieger Kurz als Vorbild für die CDU?

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CDEU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und der ÖVP-Vorsitzende Sebastian Kurz: Kann die CDU vom Kirz-Wahlkampf lernen? (Foto: Bernd von Jutrczenka/Archiv)

Nach dem klaren Wahlsieg der konservativen ÖVP und ihres Chefs Sebastian Kurz in Österreich stand unmittelbar die Frage im Raum, was die CDU in Deutschland...

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Wien/Berlin (dpa) - Nach dem klaren Wahlsieg der konservativen ÖVP und ihres Chefs Sebastian Kurz in Österreich stand unmittelbar die Frage im Raum, was die CDU in Deutschland davon lernen kann.

Friedrich Merz, der ehemalige Herausforderer von Annegret Kramp-Karrenbauer um den CDU-Vorsitz, gab den Takt vor. „Es hat sich einmal mehr gezeigt: Mit klarem Profil kann eine bürgerliche Partei auch wieder Mehrheiten gewinnen.“ Mit seinem Glückwunsch-Tweet an Kurz dürfte er auf CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer gezielt haben, aber auch, und vielleicht noch mehr, auf deren Vorgängerin, Kanzlerin Angela Merkel.

Auch CDU-Vize Armin Laschet, der wiederholt mit spitzen Bemerkungen an die Adresse der Parteichefin aufgefallen ist, hielt nicht hinterm Berg mit Ratschlägen. Die CDU könne sich durchaus ein Beispiel am Wahlkampf von Kurz nehmen. „Er hat seine Themen gehabt, er ist bei seinen Themen geblieben, er hat nicht den politischen Gegner beschimpft, sondern für seine Ideen geworben.“ Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident erkennt bei Kurz „klare Ideen, kurze Sätze und prägnante Botschaften“.

Kurz sei auch online sehr stark gewesen, räumte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak ein und legte just am Montag dem Vorstand einen Antrag für den Parteitag Ende November zur besseren digitalen Kommunikation vor. Ziemiak lobt denn auch die Wahlkampfstrategie von Kurz und der ÖVP.

Doch ganz so einfach dürfte der Erfolg von Kurz nicht auf die Union in Deutschland übertragbar sein, wie Ziemiak meint. Deutschland und Österreich seien weder von der Größe noch von der Vorgeschichte der Koalitionen vergleichbar, sagt auch die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner.

So haben die hohen Verluste der rechtspopulistischen FPÖ nach Laschets Einschätzung nichts mit Kurz zutun. Der Absturz des bisherigen Koalitionspartners der ÖVP ist in erster Linie auf das Ibiza-Video zurückzuführen und auf die jüngste Spesen-Affäre ihres Ex-Vorsitzenden Heinz-Christian Strache.

Von den massiven Stimmenverlusten der FPÖ profitierten nach Daten des Instituts Sora vor allem die ÖVP und Kurz. Zuerst koaliert er mit den Rechtspopulisten, dann schmeißt er sie nach der Ibiza-Affäre raus und schließlich profitiert er davon. Rund 260.000 FPÖ-Wähler wanderten zu den Konservativen. 235.000 einstige FPÖ-Wähler blieben der Urne fern. Im Gegensatz zur Kurz-ÖVP grenzen sich CDU und CSU scharf von den Rechtspopulisten der AfD ab - und müssen daher wohl weiter mit einer erheblichen Protestwählerschaft leben.

Auch bei den beiden derzeit aktuellen großen Themen in Deutschland - Klimaschutz und Migration - ist ein einfaches Herunterbrechen eher nicht möglich. Deutschland sieht sich beim Klimaschutz international in einer Vorreiterrolle. Zudem stehen die Regierungsparteien Union und SPD in Umfragen unter massivem Druck der Umfrage-Höhenflüge der Grünen. Und das vor kurzem vorgelegte Klimakonzept der großen Koalition dürfte absehbar die Verbraucher einiges kosten.

Kurz indessen signalisierte den Österreichern, Klimaschutz ist wichtig, aber nicht alles. Im 100-Punkte-Wahlprogramm der ÖVP sind ganze drei Punkte dem Klimaschutz gewidmet. Die Konservativen wollen die Alpenrepublik weltweit zum „Wasserstoffland Nummer 1“ und Österreich bis 2045 CO2-neutral machen. Das Land soll also möglichst kein Kohlendioxid mehr ausstoßen. Von einer CO2-Steuer wie sie die Grünen fordern, ist keine Rede.

Auch bei der Migration kann Wien einen anderen, einen härteren Kurs fahren als Deutschland. Unbeirrt und mit großer Sachlichkeit nennt Kurz die Phänomene der Zuwanderung beim Namen: Stadtteile, die sich stark verändern, Wohnquartiere, in die andere Sitten einziehen, Schulen, deren Schüler kaum mehr Deutsch können. Wenn er vor der „Zuwanderung ins Sozialsystem“ warnt, trifft er aus Sicht vieler Österreicher einen Punkt. Es ist nicht einfach für seine politischen Gegner, ihn dafür ins ganz rechte Eck zu stellen.

CDU und CSU steckt bei dem Thema immer noch der massive Streit vom vergangenen Jahr in den Knochen, auch wenn von beiden Schwesterparteien große Anstrengungen zur Entspannung unternommen wurden. Aber selbst beim früheren CSU-Chef, Innenminister Horst Seehofer, setzte sich die Erkenntnis durch, dass man mit hartem Kurs und scharfem Ton nur der AfD in die Hände spielt.

Inzwischen zeigt sich die Union lösungsorientiert: Humanität und Ordnung ist das Schlagwort. Das Thema hat sich beruhigt, solange die Flüchtlingszahlen so überschaubar bleiben wie derzeit, aber es bleibt sensibel. Zudem bemüht sich Deutschland als größte Volkswirtschaft in Europa nach wie vor um eine angemessene Verteilung der Flüchtlinge auf die EU-Staaten. Ein weiterer Gegensatz zu Kurz, der eine Verteilungspolitik für den falschen Weg hält. Dadurch wachse der Anreiz zur Flucht, argumentiert der 33-Jährige.

Ihm stehen nun schwierige Koalitionsverhandlungen bevor, wie er einräumt. Die FPÖ will nach dem Wahldesaster in die Opposition, die SPÖ ist in einem ähnlichen Findungsprozess wie die SPD in Deutschland und die Grünen hatten sich im Wahlkampf scharf von der ÖVP abgegrenzt. Zumindest in diesem Punkt scheint eine Koalition von CDU, CSU und Grünen in Deutschland leichter machbar als in Österreich. Schließlich hatte man mit Jamaika schon einen ersten Anlauf genommen.

Was kann nun Kurz, was Kramp-Karrenbauer nicht kann? Kurz hat die ÖVP von rund 20 Prozent auf etwa 37 Prozent geführt. Seine Partei ist also in einer völlig anderen Situation als CDU. Diese muss sich nach 18 Jahren unter der CDU-Vorsitzenden Merkel derzeit neu aufstellen. Und dann ist da noch das Charisma des jungen Österreichers, mit dem er bei vielen Wählern ankommt.

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