Wahlen:Das Beben von Baden-Württemberg - Grüne erstmals stärkste Kraft

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Gewinner und Verlierer: Winfried Kretschmann (Grüne, l.) und Nils Schmid (SPD) kommentieren die Ergebnisse der Landtagswahl in Baden-Württemberg. Foto: Bernd Weißbrod (Foto: dpa)

Stuttgart (dpa) - Das schier Unvorstellbare tritt ein: Die Grünen in Baden-Württemberg mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann gehen am Sonntag erstmals in Deutschland überhaupt als stärkste Kraft aus einer Landtagswahl hervor.

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Stuttgart (dpa) - Das schier Unvorstellbare tritt ein: Die Grünen in Baden-Württemberg mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann gehen am Sonntag erstmals in Deutschland überhaupt als stärkste Kraft aus einer Landtagswahl hervor.

Die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Guido Wolf muss sich in dem Bundesland, das sie bis 2011 rund 58 Jahre lang regiert hat, mit dem zweiten Platz zufriedengeben. Für sie ist das ein beispielloses Desaster.

Für die Fortsetzung von Grün-Rot reicht es aber auch nicht. Denn es gibt noch einen zweiten großen Verlierer: Die SPD, bislang Koalitionspartner der Grünen, büßt im Vergleich zu 2011 massiv an Stimmen ein und fährt in Baden-Württemberg ihr schlechtestes Ergebnis aller Zeiten ein. Sie dürfte ebenso wie die CDU viele Wähler an die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) verloren haben, die mit einem zweistelligen Ergebnis ins Parlament einzieht.

Die Grünen sind in Baden-Württemberg nun dreimal so stark wie im Bund. Es ist vor allem Kretschmann geschuldet: "Bei Arbeitsbilanz und Reputation erreicht der grüne Kandidat ein Niveau, in das in den letzten Jahrzehnten nur eine Handvoll Ministerpräsidenten vorgestoßen sind", stellt die Forschungsgruppe Wahlen fest. Kretschmann interpretiert das Wahlergebnis als klaren Auftrag, eine Regierung zu bilden. Er wolle darüber mit allen demokratischen Parteien sprechen, nicht mit der AfD.

Bei der CDU-Fraktion im Landtag herrscht nach Bekanntgabe der ersten Prognose eisiges Schweigen. Erst als angezeigt wird, dass Grün-Rot wohl keine Mehrheit zum Weiterregieren hat, gibt es etwas Applaus. Wolfgang von Stetten, Landeschef der Senioren Union, sagt: "Wir wollten Grün-Rot ablösen, das haben wir immerhin erreicht." Ein anderes Parteimitglied schüttelt den Kopf und sagt mit Blick auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): "Ein Desaster - das ist die Quittung für die Flüchtlingspolitik von Frau Merkel."

Die CDU-Abgeordneten empfangen ihren Spitzenkandidaten Wolf am Sonntag mit viel Applaus. "Das ist nicht das, was wir uns als CDU Baden-Württemberg vorgestellt haben", räumt dieser mit Blick auf das Wahlergebnis ein. Wolf schließt personelle Konsequenzen für sich aus. CDU-Landeschef Thomas Strobl macht klar, dass seine Partei das Ziel, den Ministerpräsidenten zu stellen, nicht aufgegeben hat.

Ein Regierungschef Wolf wäre nach den Hochrechnungen vom Sonntagabend mit einer knappen Mehrheit einer "Deutschland-Koalition" mit SPD und FDP möglich. Dazu müsste sich die SPD bewegen. Deren Spitzenkandidat Schmid hatte sich vor der Wahl äußerst skeptisch gezeigt, dass seine Parteibasis einer solchen Koalition zustimmen würde. Am Wahlabend betont Schmid: "Das Wahlergebnis ist eindeutig, die Grünen haben ein Mandat zur Regierungsbildung bekommen, die CDU nicht."

Ein Dreierbündnis aus Grünen, SPD und FDP mit Kretschmann als Regierungschef wollen hingegen die Liberalen nicht. Die FDP tickt im Südwesten eher konservativ. Zudem hat sie mit einem "Politikwechsel" geworben, der mit Grünen und SPD wohl nur schwer machbar wäre.

Damit könnte es auf Grün-Schwarz mit Kretschmann an der Spitze hinauslaufen - eine deutschlandweite Premiere. Jedoch müsste dazu die CDU über ihren Schatten springen. Für sie wäre es eine Schmach, in ihrem einstigen Stammland nur als Juniorpartner regieren zu können.

Kretschmann selbst hat bereits in früheren Jahren ernsthaft mit Bündnissen aus CDU und Grünen geliebäugelt. Bereits 2006 sondierte er mit dem damaligen Regierungschef Günther Oettinger (CDU) die Chancen einer schwarz-grünen Koalition in Baden-Württemberg. Doch der damalige CDU-Fraktionschef Mappus machte dem Treiben dann ein Ende.

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