Wahl in Wien:Stimmabgabe mit Covid-Sackerl

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Sozialdemokrat auf der Erfolgsspur: Die SPÖ könnte unter Wiens Bürgermeister Michael Ludwig mehr als 40 Prozent erreichen. (Foto: JOE KLAMAR/AFP)

Die SPÖ könnte in Wien eine absolute Mehrheit erhalten

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Wählen in Corona-Zeiten ist eine schwierige Übung, weshalb in Wien derzeit die Vorbereitungen heiß laufen für den Urnengang für einen neuen Gemeinderat und 23 Bezirksregierungen. Gemeinderat - das klingt relativ unbedeutend, allerdings ist die Hauptstadt mit etwa zwei Millionen Einwohnern eine höchst relevante Größe in Österreichs Politik. In den Wahllokalen werden "Identifikationsparavents" aufgestellt, die zur Verringerung der Infektionsgefahr Wahlhelfer und Wählende trennen sollen. Dazu gibt es, was in schönstem Wienerisch "Covid-Sackerl" heißt: eine Tüte mit Desinfektionsmittel für Flächen und Hände, Masken, Papierhandtücher, und was man in Corona-Zeiten sonst so für das demokratietechnisch unvermeidbare Aufeinandertreffen von Menschen braucht.

Viele Wähler haben ihre Stimme wegen Corona schon vorzeitig abgegeben: Die Wahlkommission verzeichnet einen Rekord bei den Briefwahlanträgen, die in Österreich "Wahlkarten" heißen. Mehr als 375 000 wurden verschickt, weshalb sich die Auszählung in den Montag hinein erstrecken könnte. Was das Ergebnis angeht, so sagen alle Umfragen voraus, dass die SPÖ unter Bürgermeister Michael Ludwig bei mehr als 40 Prozentpunkten liegen wird - und an der absoluten Mehrheit kratzen könnte. Ludwig, der als Nachfolger des 2018 zurückgetretenen, populären Langzeitbürgermeisters Michael Häupl in seinen ersten Wahlkampf zog, gilt als ruhiger und kompetenter Vertreter seiner Zunft. Ohnehin ist die SPÖ im "roten Wien" traditionell sehr stark.

Die ÖVP will mit ihrem Spitzenkandidaten Finanzminister Gernot Blümel das katastrophale Ergebnis der Wahl von 2015 wettmachen, als die Konservativen unter einem extrem schwachen Kandidaten auf neun Prozentpunkte kamen. Blümel setzt auf den Kanzlerbonus von Sebastian Kurz und hofft, das Wahlergebnis mindestens zu verdoppeln. Die Grünen, die seit 2010 in der Stadt mitregieren und mit Birgit Hebein die Vizebürgermeisterin stellen, hoffen auf einen Stimmenzuwachs; sie haben Verkehrspolitik und Stadtbegrünung in den Mittelpunkt ihrer Kampagne gestellt und werden, mit einem Zuwachs von fünf Punkten, bei 16 Prozent verortet. Sollte Ludwig einen Koalitionspartner brauchen, stehen dafür auch die liberalen Neos bereit. Ihr Kandidat Christoph Wiederkehr, der zu Beginn des Wahlkampfes recht unbekannt gewesen war, hat sich mit viel Einsatz und Selbstbewusstsein in die Wahrnehmung der Öffentlichkeit gekämpft. Dennoch dürften die Neos weniger als zehn Prozent der Stimmen einfahren.

Am rechten Rand ringen Heinz-Christian Strache, Ex-FPÖ-Chef und seit dem Ibiza-Skandal mehr oder minder Einzelkämpfer mit seinem "Team HC", und die stark geschwächte Rest-FPÖ unter Dominik Nepp um Stimmen. Eine heitere Note versprüht die Bier-Partei. In Anspielung auf Straches Verteidigungslinie zum Ibiza-Video, er sei leider betrunken gewesen, werben sie mit einem politisch ungewöhnlichen Slogan: "I bin scho wieder angsoffen."

© SZ vom 10.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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