Wahl in Sachsen-Anhalt:"Die Linke ist regierungsfähig, aber nicht führungsfähig"

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Jens Bullerjahn, Finanzminister und SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, über seinen Kumpel von der Linken, größenwahnsinnige Ziele und die Black Box CDU.

Thorsten Denkler

sueddeutsche.de: Herr Bullerjahn, Sie wollen Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt werden. Sind Sie größenwahnsinnig?

Der SPD-Politiker Jens Bullerjahn ist seit 2006 stellvertretender Ministerpräsident und Finanzminister. Nun möchte er nach der Landtagswahl am Sonntag die Regierungsgeschäfte übernehmen. (Foto: REUTERS)

Jens Bullerjahn: Wie kommen Sie darauf? Wir legen in den Umfragen stetig zu. Ich habe in den vergangenen fünf Jahren zusammen mit Ministerpräsident Wolfgang Böhmer grundlegende Dinge für das Land entschieden. Die Leute wissen also, dass ich es ernst meine und sie nehmen mir das auch ab. Ich habe meiner Partei gesagt, als ich die Spitzenkandidatur übernommen habe: Ich trete nur an, wenn ihr mir abnehmt, dass ich Ministerpräsident werden will. Da lagen wir in den Umfragen noch bei 17 Prozent.

sueddeutsche.de: Dennoch gilt weiterhin: Sie liegen mit der SPD auf Platz drei hinter CDU und Linkspartei. Wenn das so bleibt, sind Ihre Chancen auf das Amt gleich null. Eine gewisse Cornelia Pieper von der FDP hat das auch mal versucht.

Bullerjahn: (lacht) Das ist jetzt aber gemein, uns mit einer Fünf-Prozent-Partei zu vergleichen. Mal ernsthaft: Warten wird doch den Wahlabend mal ab. Wir haben die Linke jetzt fast überholt. Der Kurs stimmt. Ich freue mich auf Sonntag.

sueddeutsche.de: Sie schließen ein rot-rotes Bündnis mit der Linken nicht aus, wollen aber selbst als kleinerer Partner keinen Linken zum Ministerpräsidenten machen. Das klingt vermessen.

Bullerjahn: Der Posten des Ministerpräsidenten ist eine herausragende Position. Das weiß ich aus fünf Jahren der guten Zusammenarbeit mit Professor Böhmer. In der Linken kenne ich niemanden, der dieser Verantwortung mit Rücksicht auf die eigene Partei gerecht werden könnte.

sueddeutsche.de: Sie zählen den Ministerpräsidenten-Kandidaten der Linken, Wulff Gallert, zu Ihren persönlichen Freunden. Ihm würden Sie das durchaus zutrauen, haben Sie mal gesagt. Wo also ist das Problem?

Bullerjahn: Das Problem ist die Partei, die hinter ihm steht. Sie würde versuchen, Dinge etwa in der Haushaltspolitik durchzusetzen, die wir nicht mittragen können. Ich brauche eine Mehrheit im Landtag, die gewillt und in der Lage ist, auch schwierige Entscheidungen durchzusetzen. Dazu gehört ein klares Bekenntnis zur Haushaltssanierung und zur Schuldenbremse.

sueddeutsche.de: Ist die Linke also gar nicht regierungsfähig?

Bullerjahn: Regierungsfähig schon, aber nicht führungsfähig.

sueddeutsche.de: Ist die CDU besser aufgestellt?

Bullerjahn: Das dachte ich zumindest. Die CDU ist für mich in diesem Wahlkampf eine große Enttäuschung. Den Linken werfe ich vor, dass sie nicht sagen, was sie inhaltlich in den kommenden fünf Jahren zu tun gedenken. Jetzt muss ich erkennen, dass die CDU dazu ebenso nicht bereit ist. Die CDU ist wie eine Black Box für mich.

sueddeutsche.de: Welchen Eindruck haben Sie vom Wahlkämpfer Reiner Haseloff, Ihrem CDU-Kontrahenten?

Diese drei Männer wollen Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt werden: Reiner Haseloff (CDU, links) steht neben Wulf Gallert (Die Linke) und Jens Bullerjahn (SPD). (Foto: dpa)

Bullerjahn: Es ist klug, sich mit persönlichen Bewertungen im Wahlkampf zurückzuhalten. Eines aber finde ich persönlich enttäuschend und gefährlich: wenn man im Wahlkampf spaltet.

sueddeutsche.de: Was werfen Sie ihm vor?

Bullerjahn: Er grenzt die Wähler anderer Parteien aus und tut so, als wäre die CDU die eine Sachsen-Anhalt-Partei. Linke und SPD können aber zusammen über die Hälfte aller Wähler auf sich vereinigen. Die Ausgrenzung ist deshalb völlig unangebracht. Ich höre von der CDU nur, es soll alles bleiben wie es ist und dass sie vor rot-roten, sozialistischen Experimenten warnt. Das ist jämmerlich. Das sagen Leute, die zu DDR-Zeiten selber in den Blockparteien dabei waren. Und die kommen jetzt mit der Kommunismus-Keule. Wulf Gallert ist doch alles andere als ein Kommunist.

sueddeutsche.de: Ist nicht das eigentliche Problem, dass die SPD, die einst das Land acht Jahre regierte, jetzt froh sein kann, wenn sie 25 Prozent bekommt?

Bullerjahn: Ich habe es immer als meine Aufgabe angesehen, diese SPD über den Wahltag hinaus fitter zu machen. Die Sozialdemokraten müssen wieder aus dem Stand Wahlen gewinnen können. Soweit sind wir noch nicht.

sueddeutsche.de: Die SPD steht auch wegen der Agenda-Reformen so schlecht da. Den massivsten Widerstand hat damals die PDS in Sachsen-Anhalt gegen Ihre Partei organisiert. Da gab es viel böses Blut. Sie haben mal gesagt, das hätten Sie der Linken sehr übel genommen. Fällt es Ihnen deshalb so schwer, der Linken eine führende Rolle zuzubilligen?

Bullerjahn: Es fing schon früher an. Den politischen Preis für die erste Tolerierung in einem Bundesland mussten vor allem wir zahlen. Bei der Wahl 2002 haben wir fast 16 Prozentpunkte verloren. Die Linke hat sich da weggeduckt. Als dann die Hartz-Reformen beschlossen wurden, die ich bis heute für grundsätzlich richtig halte, hatte die PDS alles vergessen, was uns mal zusammenführte. Wir wurden diffamiert.

sueddeutsche.de: War die PDS 1994 koalitionsfähiger als die Linke heute? Damals wurde das Magdeburger Modell aus der Taufe gehoben, eine von der PDS tolerierte SPD-Minderheitsregierung.

Bullerjahn: Eindeutig ja. Der Preis für die Westausdehnung ist hoch. Jetzt fliegt auseinander, was nicht zusammengehört. Die Ostlinke, die PDS, das war eigentlich eine ganz pragmatische Truppe. Der war klar, dass sie mit ihrer Realpolitik nicht die ganz großen Wahlerfolge würden einfahren können. Seit dem Zusammenschluss mit der WASG zur Linken hat sie diesen Kurs eingestellt.

sueddeutsche.de: Herr Bullerjahn, als Finanzminister der schwarz-roten Koalition setzen Sie auf Haushaltssanierung und Schuldenabbau. In Nordrhein-Westfalen haben Gerichte jetzt den Schuldenhaushalt von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gestoppt. Dennoch: Ihre Parteifreundin bekommt viel Applaus für den Plan, Schulden zu machen, in der Hoffnung später weniger Sozialausgaben zu haben. Ist das ein überzeugendes Konzept?

Bullerjahn: Ich kenne und schätze Hannelore Kraft als Fachfrau und Pragmatikerin. Sie wird wissen, was sie tut. Wegen des Urteils ist ihr kein Vorwurf zu machen. Der beanstandete Haushalt ist ja überwiegend noch ein schwarz-gelbes Erbe.

sueddeutsche.de: Kraft befeuert mit ihrer Schulden-Rhetorik eine Debatte um die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse. Viele in Ihrer Partei würde sie lieber wieder abschaffen.

Bullerjahn: Ich bewundere die, die meinen, Schulden machen wäre modern. Ich kann nur sagen: Das hat bei uns nicht viel gebracht. Die Abschaffung der Schuldenbremse ließe sich ohnehin nicht durchsetzen. Nicht nur weil es dafür keine Mehrheiten mehr gäbe. In der Bevölkerung standen solide Finanzen noch nie so hoch im Kurs wie heute. Das weiß aber auch Hannelore Kraft.

sueddeutsche.de: Sie machen seit 20 Jahren Finanzpolitik und scheinen als Finanzminister viel Spaß im Amt zu haben. Ihnen ist ja fast nicht zu wünschen, Ministerpräsident zu werden.

Bullerjahn: Ich überlege schon, ob ich nicht beides zusammenlegen kann ( lacht). Die Kollegen warnen mich davor. Ich gebe aber zu bedenken: Viele gute Ministerpräsidenten waren vorher gute Finanzminister.

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