Wahl in Italien:Die vier Gruppen von Berlusconianern

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Silvio Berlusconi gibt sich siegessicher, das Ausland staunt über die Italiener. Wer wählt einen Mann, der bereits mehrmals gescheitert ist? Unter anderem die Möchtegern-Cavalieri und die praktischen Zyniker.

Stefan Ulrich, Rom

Die Qual der Wahl ist für die Italiener diesmal besonders hart. Etwa jeder dritte Bürger will sich am Sonntag und Montag der Abstimmung verweigern oder weiß noch nicht, für wen er votieren soll. Vielen Menschen scheint weder der dreifache Alt-Premier Silvio Berlusconi auf der Rechten noch der frühere Vize-Premier und römische Ex-Bürgermeister Walter Veltroni auf der Linken geeignet zu sein, das Land aus dem übellaunigen Stillstand zu befreien, in dem es sich apathisch murrend eingerichtet hat.

Silvio Berlusconi und seine Fans (Foto: Foto: dpa)

In dieser Lage schlägt der Philosoph und Leitartikler Giovanni Sartori vor, bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus dem einen Bündnis und bei der Wahl zum Senat dem anderen die Stimme zu geben und damit auf ein Patt hinzuwirken. So könne der Bürger seine ganze Verachtung für den "Palazzo", die Häuser der Macht in Rom, und für die "Casta", die Politikerriege, zum Ausdruck bringen.

Der Rat des weisen, alten Sartori zeigt, wie die Stimmung in Italien ist. Die Parteiführer erkennen das wohl und versuchen nun in letzter Minute, dem im Land als fad empfundenen Wahlkampf mit Polemik Schwung zu geben. So provozierte der 52 Jahre alte Veltroni seinen 71-jährigen Gegner mit der Aufforderung, doch seine Treue zur Verfassung zu bekennen.

Berlusconi giftete zurück, Veltroni und die Linke sollten versprechen, bei diesen Wahlen ausnahmsweise nicht zu betrügen. Ansonsten gibt sich der Cavaliere im Endspurt triumphalistisch. "Wir haben Umfragen, die unseren Sieg absolut garantieren", behauptet er.

Allerdings durften in den vergangenen zwei Wochen keine Meinungserhebungen veröffentlicht werden. Dennoch erwarten die meisten Beobachter, dass Berlusconis "Volk der Freiheit" bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus am stärksten abschneiden wird.

Damit würde dieses rechte Parteienbündnis nach geltendem Gesetz einen Bonus und so mindestens 340 der 630 Abgeordnetensitze erhalten. Enger dürfte es im Senat werden, wo 315 Sitze zu vergeben sind. Hier wird in jeder Region vom Aostatal bis Apulien einzeln entschieden, welche Gruppe die Mehrheitsprämie erlangt. Das macht den Wahlausgang schwer vorhersehbar und nährt die Hoffnungen von Veltronis "Demokratischer Partei".

Verblüffende Siegessicherheit

Aussichten, Sitze in der Kammer und im Senat zu erringen, haben zudem noch die Kommunisten namens "Regenbogen" und die Christdemokraten. Berlusconi sagte der Zeitung La Stampa, er brauche im Senat einen Vorsprung von 20 Sitzen, um stabil regieren zu können. Das erscheint kühn.

Verblüffend aber ist, dass der Cavaliere überhaupt noch einmal mit einem Sieg rechnen darf. Schließlich hat er als Chef der 53., der 59. und der 60. Nachkriegsregierung sogar viele seiner Anhänger enttäuscht. Zu klein waren seine Leistungen angesichts seiner Versprechungen, zu sehr war er beschäftigt, seine Privatfehde mit der Justiz auszutragen und sein Fernsehimperium abzusichern.

Nun sagt er, die Zeit der Verheißungen sei vorbei, und verspricht harte Maßnahmen, um das Land zu sanieren. Nur: Wer will ihm noch glauben?

Offenbar sind es genügend Italiener, die diesem im Ausland verpönten Mann wieder ihre Stimme geben wollen. Mindestens vier Gruppen von Berlusconianern lassen sich ausmachen. Da wären zum einen die Cavaliere-Gläubigen. Sie sehen tagein tagaus die Privatfernsehsender, mit denen Berlusconi sein Volk erzieht.

Die Möchtegern-Cavalieri

Darin spielen alternde, frivol-charmante Showmaster, von jungen Schönen umringt, die Heldenrollen. Genau wie sie tritt Berlusconi in der Politik auf, nur besser. Das bringt ihm Stimmen.

Die zweite Gruppe besteht aus den Möchtegern-Cavalieri. Sie durchschauen zwar das Spektakel des Meisters, bewundern ihn aber zugleich als einen Mann, der in der Geschäftswelt und der Politik genauso viel Erfolge zelebriert wie bei den Frauen - und immer im Mittelpunkt steht. Ihn zu wählen bedeutet da auch, ihm nachzueifern.

Sodann wären da, drittens, traditionelle Anhänger der Rechten, die sich sagen: Nase zuhalten und Berlusconi wählen. Diese Italiener, oft Angehörige eines konservativen, gebildeten Bürgertums, wissen zwar, dass der amoralische Multimilliardär mit seiner anti-staatlichen Rhetorik keine gute Besetzung für ein hohes Staatsamt ist.

Die praktischen Zyniker

Sie mögen sogar Sympathien für den gemäßigten, nachdenklichen und feingeistigen Veltroni empfinden. Aber sie bringen es einfach nicht übers Herz, für die Linke, und sei es eine noch so moderate, zu votieren. Zu tief sitzt die historische Abneigung gegen die Roten.

Die vierte, wohl wichtigste Gruppe, bilden die praktischen Zyniker. Hierzu gehören viele Selbständige: Besitzer kleiner Handwerksbetriebe, Restaurant-Betreiber, Taxi-Fahrer zum Beispiel. Sie erwarten sich nichts mehr von ihren Regierungen, egal welcher Couleur, und rechnen kaum mehr damit, einen modernen, leistungsstarken Staat zu bekommen.

Wenn Rom nichts für uns tut, wollen wir nichts für Rom tun, lautet ihr Motto. Daher sind sie kaum für eine Linke zu gewinnen, die unter der Regierung Romano Prodis gerade zwei Jahre lang versucht hat, mehr Geld einzutreiben und den Haushalt zu sanieren.

Unter einem Premier Berlusconi, so erwarten sie, werden sie vom Staat eher in Ruhe gelassen. Dafür nehmen sie weitere fünf Jahre Cavaliere billigend in Kauf.

© SZ vom 11.04.2008/bavo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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