Wahl in Hamburg:Ein Minus von 237 Stimmen

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Das vorläufige Endergebnis der Bürgerschaftswahl zeigt: Die AfD hat praktisch all ihre Wähler halten können. Und die FDP-Wahlkämpfer dürfen zumindest für die 0,1 Prozent, die ihnen fehlten, Schuldige benennen.

Von Detlef Esslinger

Wie kann man die AfD kleinhalten - und wie wohl nicht? Seit die Wahlbehörde am Montagabend das vorläufige Endergebnis der Hamburger Bürgerschaftswahl bekannt gegeben hat, liegen nicht nur die prozentualen Werte, sondern auch die Zahl der absoluten Stimmen vor. Die Daten liefern interessante Hinweise.

Anfangs sah es am Sonntag so aus, als sei die AfD an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Am Ende wurden es 5,3 Prozent; gemessen an den 6,1 Prozent von vor fünf Jahren hört sich auch das noch nach einem beträchtlichen Verlust an. Tatsächlich jedoch hat die Partei wohl so gut wie all ihre Wähler halten können: 214 596 Stimmen jetzt im Vergleich zu 214 833 damals - das ist ein Rückgang um nur 237 Stimmen. Es zeigt sich erneut, was Demoskopen und Soziologen seit Längerem beobachten: AfD-Anhänger sind äußerst loyal. Das Massaker in Hanau und die Debatte darüber schrecken praktisch niemanden von ihnen ab. Das Einzige, was umgekehrt Eindruck auf sie macht, war die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen. Bei Infratest dimap antworteten 34 Prozent aller AfD-Wähler, die Vorgänge dort hätten "sehr großen Einfluss" auf ihre Entscheidung gehabt, einen bestärkenden also. Demgegenüber sagten dies nur elf Prozent der Linken-Wähler. Bei allen anderen Parteien waren die Werte hier sogar nur einstellig.

Schminke auf die Wunden: Anna von Treuenfels-Frowein (Zweite von links) ist nun die einzig verbliebene FDP-Abgeordnete in der Hamburger Bürgerschaft, CDU-Spitzenkandidat Marcus Weinberg schaffte es nicht ins Parlament. (Foto: Chris Emil Janßen/imago)

Dass die AfD, gemessen in Prozenten, deutlich schlechter abschnitt als 2015, hatte nur einen Grund: Arithmetik. Die Wahlbeteiligung in Hamburg war deutlich gestiegen. Fast 100 000 Menschen mehr als 2015 gaben ihre Stimme ab. Wenn die AfD ihre Stimmenzahl praktisch hält, viele der einstigen Nichtwähler jedoch nun für die anderen Parteien votieren, sinkt der Prozentwert des AfD-Resultats. Woraus folgt: Wenig aussichtsreich ist der Versuch, bisherige AfD-Wähler quasi bekehren zu wollen. Mehr Erfolg verspricht der Versuch, so viele Wähler wie möglich aus dem eigenen Reservoir zu mobilisieren. Grob gerechnet: Hätten SPD, Grüne, CDU, Linke und FDP zusammen noch 50 000 jener 500 000 Wahlberechtigten mobilisiert, die auch diesmal Zuhause blieben, wäre die AfD unter fünf Prozent gerutscht.

Kein arithmetisches Phänomen war es, das die FDP als Fraktion aus der Bürgerschaft katapultierte - sondern eindeutiger Verlust an Zustimmung. 262 000 Stimmen sammelte die Partei vor fünf Jahren noch ein, 201 000 waren es diesmal, ein Verlust von fast jeder vierten Stimme, bei gestiegener Wahlbeteiligung. Mit 4,9 Prozent scheiterte sie. Zumindest die fehlenden 0,1 Prozent können die Hamburger Liberalen wohl ihrem Bundesvorsitzenden Christian Lindner sowie den Kollegen in Erfurt ankreiden: Zwar null Prozent der jetzigen, aber 20 Prozent der ehemaligen FDP-Wähler gaben bei Infratest dimap an, die Vorgänge dort hätten "sehr großen Einfluss" auf ihre Entscheidung gehabt.

Die Grünen sind nun auch in Hamburg zweitstärkste Kraft. Außer in Baden-Württemberg, wo sie 2016 sogar 30,3 Prozent erreichten, schnitten sie noch nie bei Landtagswahlen besser ab. Aber heißt das, dass man sie als Volkspartei wahrnehmen muss? Eher nicht. Die Grünen haben ihr Milieu, darin sind sie führend, das macht sie so stark. "Sie sind bei den unter 60-Jährigen dreimal so stark wie die CDU, bei allen unter 45-Jährigen werden sie stärkste Kraft", stellt die Forschungsgruppe Wahlen fest. 31 Prozent der Menschen mit hoher Bildung wählten sie, aber nur neun Prozent derer mit einfacher. Und 90 Prozent der Grünen-Wähler schätzen laut Infratest dimap ihre wirtschaftliche Lage als gut ein, nur neun Prozent als schlecht.

Was der SPD übrigens kaum geschadet hat: die Debatte, warum die Finanzbehörde eine Steuerforderung von 47 Millionen Euro gegen die Warburg-Bank verjähren ließ. 75 Prozent gaben an, das habe keinen oder einen weniger großen Einfluss auf sie gehabt. Da hat die SPD Glück gehabt: eine zwar unangenehme Sache, die kurz vor der Wahl auftaucht, die aber schön kompliziert ist und bei der ihre Regierenden auch noch zu Recht sagen können, wegen des Steuergeheimnisses dürften sie leider, leider nichts sagen. Wenn schon ein Skandal, dann bitte so einer.

© SZ vom 26.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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