VW:Das Beste für sich selbst

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Erst hat der Konzern seine Kunden betrogen - nun möchte er auch noch von der Abwrackprämie profitieren.

Von Angelika Slavik

Was den Umgang von Volkswagen mit der Dieselaffäre so unerträglich macht, ist ja, dass der Konzern bislang mit beeindruckender Sturheit die große Geste verweigert hat. Was man sehen wollte, mehr als alles andere, war ein Zeichen, dass dieser Laden das volle Ausmaß seiner moralischen Schuld anerkennt. Stattdessen hat VW in den vergangenen drei Jahren relativiert, herumgedruckst und sich hinter juristischen Spitzfindigkeiten versteckt.

Das Umtauschprogramm, bei dem der Konzern nun bis zu 10 000 Euro Rabatt geben will, wenn ein alter Diesel verschrottet wird, wäre die Gelegenheit gewesen, endlich ein Zeichen der Demut zu setzen. Aber wenn man die Pläne genau betrachtet, muss man konstatieren: VW hat die Chance nicht genutzt. Mal wieder.

Man leiste mit den Prämien nun "einen signifikanten Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität", tönt es aus Wolfsburg. Das ist natürlich ein schlechter Scherz: Der Konzern, der für den wohl größten Industriebetrug der Nachkriegsgeschichte verantwortlich ist, tut nun so, als stünde die Sorge um das Gemeinwohl hinter dem Angebot.

VW bietet dieses Umtauschprogramm aber deshalb in genau dieser Form an, weil der Konzern das für die wirtschaftlich schlaueste Strategie hält. Es ist die Angst vor teuren Nachrüstungen und Fahrverboten, die der Kalkulation der Prämien zugrunde liegen: Bevor man mehrere Tausend Euro investieren muss, um ein dreckiges Auto mühsam nachzurüsten und damit ein bisschen sauberer zu bekommen, verkauft man lieber ein neues Auto mit höherem Rabatt, verdient immer noch ordentlich daran und ist das unangenehme Problem los.

Die vermeintlich große Geste hat noch einen anderen großen Schönheitsfehler: Die richtig üppigen Wechselrabatte gibt es nur für Dieselfahrer, die in einer der 14 Städte leben, in denen die Luftqualität besonders schlecht ist, oder in deren Umkreis. Das mag den Vorgaben der Bundesregierung entsprechen - und dennoch ist es eine Frechheit. Denn all jene, die Dieselautos gekauft haben in der Annahme, damit ein umweltfreundliches Fahrzeug zu erwerben, wurden wissentlich von VW betrogen. Sie haben für ihr Geld nicht das bekommen, was ihnen in Aussicht gestellt worden ist.

Der Konzern hat seine Kunden betrogen - nun will er von der Wiedergutmachung profitieren

Der Schaden, der den Käufern entstanden ist, hängt nicht davon ab, ob die Luftqualität an ihrem Wohnort bloß normal schlecht oder ganz besonders schlecht ist. Auch die Dieselfahrer außerhalb der gesetzeswidrig hoch belasteten Städte atmen den Dreck ein, den ihre Autos verursachen, genau wie ihre Kinder, ihre Nachbarn, ihre Kollegen. Dazu kommt, dass ihnen die Chance genommen wurde zu entscheiden, welche Rolle der Umweltschutz bei ihrem Autokauf spielen soll. Viele Dieselfahrer haben ja nicht nur aus wirtschaftlichen Überlegungen einen vermeintlich sauberen Diesel gekauft, sondern auch, weil sie dachten, sie würden eine verantwortungsvolle Entscheidung treffen.

Kunden wegen ihres Wohnorts schlechterzustellen, bedeutet, dass VW einen Teil der Opfer seines Betrugs bei der Entschädigung diskriminiert. Das ist inakzeptabel und erweckt den Eindruck, dass VW bei der Umtauschaktion vorgeht wie bei der Aufklärung der Dieselaffäre: Der Konzern tut immer nur so viel, wie gerade notwendig ist - um für sich selbst das Beste rauszuholen.

© SZ vom 19.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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