Vorgezogene Präsidentenwahl in Polen:Konfrontation gegen Kompromissbereitschaft

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Einst waren sie Kampfgefährten, dann bekämpften sie sich erbittert: Polen wählt ein neues Staatsoberhaupt. Was die Kandidaten Komorowski und Kaczynski trennt und eint.

Thomas Urban, Warschau

Nach dem Unglück von Smolensk wählen die Polen an diesem Sonntag ein neues Staatsoberhaupt. Die Kandidaten Bronislaw Komorowski, der als Parlamentspräsident seit dem Tod Lech Kaczynskis auch amtierender Staatschef ist, und Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski kennen sich seit mehr als drei Jahrzehnten. Sie duzen sich privat.

Umfragen sehen den konservativen und proeuropäischen Parlamentspräsidenten Bronislaw Komorowski (rechts), der der regierenden Bürgerplattform (PO) von Premierminister Donald Tusk angehört, unangefochten auf dem ersten Platz. Mit deutlichem Abstand folgt Oppositionsführer Jaroslaw Kaczynski - doch er hat aufgeholt. (Foto: rtr)

Die Kaczynski-Zwillinge waren ebenso wie Komorowski aktiv in der Demokratiebewegung um die Gewerkschaft Solidarität. Wiederholt wurden sie von der kommunistischen Geheimpolizei festgenommen. Nach der Wende von 1989 gehörten sie zu den Vertrauten der Führung der Solidarnosc, die in hohe Staats- und Regierungsämter aufstiegen: Die Zwillinge wurden Staatssekretäre im Präsidialamt unter Lech Walesa, Komorowski wurde erster ziviler Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Zu den Aufgaben aller drei gehörte die Zerschlagung kommunistischer Seilschaften.

Doch die Solidarnosc zerfiel in mehrere Gruppierungen, die sich bald erbittert bekämpften. Diese Streitereien und Konflikte dauern bis heute an. So standen auch die früheren Kampfgefährten Jaroslaw und Lech Kaczynski sowie Bronislaw Komorowski auf verschiedenen Seiten: Komorowski trat stets für eine rasche Integration Polens in westliche Strukturen ein; im Verteidigungsministerium, dessen Leitung er vorübergehend übernahm, war er für die Vorbereitungen des Nato-Beitritts Polens verantwortlich. Er ist seitdem in den westlichen Staaten bestens vernetzt, in der Bundesrepublik unterhält er besonders intensive Kontakte zur CDU. Er gilt bei den Nato-Partnern als solider, zuverlässiger Politiker.

Komorowski schloss sich der Freiheitsunion um den ersten nicht-kommunistischen Premier Tadeusz Mazowiecki und Finanzminister Leszek Balcerowicz an, den Vater des "polnischen Wirtschaftswunders". Diese beiden Politiker betrieben besonders energisch den Beitritt zur Europäischen Union.

Die Zwillinge hingegen gehörten bald zu den führenden Köpfen der Nationalkonservativen, denen zunächst weder an einem raschen EU-Beitritt, noch an einer allumfassenden Privatisierung interessiert waren. Nach ihren Vorstellungen sollte Polen wieder eine europäische Regionalmacht werden, die Betriebe sollten in polnischer Hand, Schlüsselindustrien und Finanzsektor weitgehend staatlich bleiben. Ihr außenpolitisches Programm war also isolationistisch, ihr Wirtschaftsprogramm ist in der linken Sozialdemokratie anzusiedeln. Politologen weisen schon lange darauf hin, dass das Etikett "nationalkonservativ" die Positionen der von den Zwillingen gegründeten Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) nur unvollkommen wiedergibt.

Vor allem forderten sie stets eine gründliche Abrechnung mit dem kommunistischen Regime. Diese Frage spaltet bis heute das Land. Jaroslaw Kaczynski weist keineswegs zu Unrecht darauf hin, dass ehemalige Funktionsträger der Partei und des Geheimdienstes zu den Hauptgewinnern des Übergangs zur Marktwirtschaft geworden seien. In der Tat ist in Polen die Aufarbeitung des kommunistischen Regimes nur Stückwerk geblieben. Sollte er Präsident werden, so wird er zweifellos hier ansetzen.

Zwar hat er im jetzigen Wahlkampf auf jegliche scharfen Töne verzichtet. Doch glaubt die Mehrheit seiner Landsleute, dass er als Präsident wieder auf ständige Konfrontation mit den innenpolitischen Gegnern setzen wird, so wie er es in seiner kurzen Amtszeit als Regierungschef vor drei Jahren bereits probiert hat.

Komorowski hingegen steht nicht für Konfrontation, sondern für Kompromissbereitschaft. Der Ausgang der Wahl dürfte also auch das innenpolitische Klima Polens stark beeinflussen.

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