Vesper in China:Ein Grüner versteht die Zensur

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Michael Vesper war Spitzenpolitiker der Grünen. Nun ist er Chef de Mission der deutschen Olympiamannschaft - und irritiert mit Äußerungen zur Zensur in China.

Wolfgang Jaschensky

Gründungsmitglieder werden bei den Grünen in Ehren gehalten. Michael Vesper ist ein Gründungsmitglied, er hat sich zudem als langjähriger Minister in Nordrhein-Westfalen um die Partei verdient gemacht - doch verehrt wird er von den wenigsten Parteifreunden.

"Grenzenlos blamiert": Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes. (Foto: Foto: dpa)

Dass er unter dem eher konservativen Präsidenten Thomas Bach zum Generaldirektor des neu gegründeten Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) berufen wurde, empfanden viele als Bestätigung eines Verdachts: Michael Vesper sei im Herzen überhaupt kein richtiger Grüner. Es gehe ihm eher um die Karriere.

Vesper gilt als Opportunist, und das gilt gerade in dieser idealistischen Partei als Schimpfwort. In der rot-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen stand Vesper in Streitfragen dem Ministerpräsidenten Wolfgang Clement (SPD) meist näher als seiner Parteifreundin Bärbel Höhn. Auch seine Freundschaft mit Bild-Chefredakteur Kai Diekmann macht ihn in Kreisen der Grünen nicht populärer.

Doch nun ist Vesper ein Fauxpax unterlaufen, den ihn wohl selbst alte Parteifeinde nicht zugetraut hätten. Als Chef de Mission der deutschen Olympiamannschaft hatte Vesper in der ARD die Zensur China gerechtfertigt. In allen Ländern der Welt würden Webseiten blockiert, sagte Vesper - und machte es mit einem Beispiel gleich noch viel schlimmer: "Bei uns sind es rechtsradikale Seiten, die gesperrt werden. Und es ist natürlich auch in China so, dass einzelne Seiten gesperrt werden."

Dass es bei den in China gesperrten Internetseiten nicht um solche mit strafrechtlich relevanten Inhalten geht, sondern beispielsweise um die Seite von Amnesty International - das ließ Vesper unerwähnt. Er ist noch immer Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen.

Kritik an der Aussage Vespers ließ natürlich nicht lange auf sich warten. Parteikollege Volker Beck bezeichnete den Vergleich als "aberwitzig und irritierend". SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz sagte: "Er hat sich grenzenlos blamiert und muss das aus der Welt schaffen."

Prügelknabe der Nation

Das ist nicht schön für einen Chef de Mission, der gewandt mit den Sportlern durch Peking wandeln muss. Vesper versuchte sich auf Korrektur und versicherte im ARD-"Morgenmagazin", dass er die Einschränkungen zur Nutzung rechtsradikaler Seiten in Deutschland nicht mit Beschränkungen der Internetnutzung für chinesische Bürgerrechtler gleichsetzen wollte. Diese Klarstellung war wohl nötig.

Tatsächlich muss angemerkt werden, dass Vesper zuvor die Zensur in China kritisiert und auch gegen die Internet-Beschränkungen für Journalisten im chinesischen Pressezentrum protestiert hatte.

Doch was hat den DOSB-Generalsekretär dann zu dem absurden Vergleich veranlasst? Die Absicht, nationalsozialistisches Gedankengut zu verharmlosen, kann man Vesper nicht unterstellen. Vor zehn Jahren wurde sogar gegen ihn ermittelt, weil er bei einer Demonstration gegen eine NPD-Kundgebung versucht haben soll, Polizisten einzuschüchtern. Dass einem einstigen Minister und medienerfahrenen Profi ein derartiger Vergleich einfach rausrutscht, ist ebenfalls nicht wahrscheinlich.

Vielleicht sind die ganzen Diskussionen um Unrecht und Unfreiheit in China ja zu viel für ihn geworden. Vielleicht fühlte er sich in der Bredouille, da ja der IOC-Präsident Jacques Rogge die Zensurfrage eher pragmatisch als prinzipiell sieht. Wie auch immer: Dem Mann aus Nordrhein-Westfalen ist es gelungen, seinen alten Freund Wolfgang Clement zeitweilig als Prügelknaben der Nation abzulösen.

Rot-Grün funktioniert also!

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