Verschlüsselung:Apple ist nicht die vierte Gewalt

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Apple ziert sich, den US-Behörden bei der Strafverfolgung zu helfen. Dabei ist der Konzern nicht dafür bekannt, sich allzu sehr um das Gemeinwesen zu sorgen. Es geht wohl eher um Vermarktung.

Von Nicolas Richter

Ein iPhone ist das, was früher die Wohnung war: Ein geschützter Raum, in dem Menschen ihre Geheimnisse aufbewahren, auch die dunklen. Deswegen ist es in Rechtsstaaten unstrittig, dass ein Smartphone unter dem Schutz der Grundrechte steht. In den USA hat es der Supreme Court der Polizei zum Beispiel verboten, bei der Festnahme von Verdächtigen routinemäßig deren Telefone auszulesen. Im Digitalzeitalter bedeutet Privatsphäre, dass das Smartphone so geschützt sein muss wie das Haus.

Nun streiten sich die US-Regierung und der iPhone-Konzern Apple um das Telefon des Terroristen Syed Farook, der mit seiner Frau in Kalifornien 14 Menschen erschossen haben soll. Der Bundespolizei FBI gelingt es nicht, das Passwort zu knacken, um das Telefon auszuwerten, sie verlangt also Hilfe von Apple: Sinnbildlich will sie den Hausschlüssel von Farook. Apple wiederum warnt in apokalyptischen Worten, der Staat verlange einen Dietrich, mit dem er nicht nur Farooks Schloss öffnen könnte, sondern auch die Haustüren von Hunderten Millionen Apple-Kunden.

Der Staat muss ermitteln dürfen, was nötig ist

In diesem Streit um die Grenzen der Verschlüsselung geht es beiden Seiten um mehr als das Telefon Farooks. Die US-Regierung, das ist seit Edward Snowden bekannt, will im Prinzip alles über jeden wissen, und sie klagt seit Langem über Verschlüsselung. Kaum waren die Terroranschläge von Paris geschehen, wollte die CIA schon erfahren haben, dass die Täter mit Hilfe von Whatsapp unentdeckt geblieben waren. Die Maßlosigkeit dieses Staats hat leider dazu geführt, dass viele Menschen einem Konzern wie Apple mehr vertrauen als ihrer eigenen Regierung.

Apple wiederum geht es vor allem um Apple. Der US-Konzern fällt sonst nicht allzu sehr dadurch auf, dass er sich um das Gemeinwesen sorgt: Er rühmt zwar gern seine kalifornische Kreativität, setzt aber weltweit auf umstrittene Steuermodelle und produziert in China, wo man Effizienz sehr großschreibt, solange sie sich nicht auf Arbeiter- und Bürgerrechte erstreckt. Wenn Konzernchef Tim Cook jetzt davor warnt, dass ihm der Staat den Dietrich wegnehmen will, dann klingt das weniger nach Sorge um die Verfassung als danach, dass er die Sicherheit seiner Produkte vermarkten will: Bessere Verschlüsselung bedeutet eben einen Wettbewerbsvorteil.

Im Fall Farook müssen sich beide Seiten mit dem Mittelweg abfinden. Menschen müssen prinzipiell unüberwacht kommunizieren dürfen, aber wie bei allen Grundrechten muss es Ausnahmen geben, um andere Rechtsgüter zu schützen. Niemand käme auf die Idee, die Wohnung eines Terroristen für unverletzlich zu erklären, bloß weil das Schloss so gut aussieht. Der Staat muss das Telefon Farooks auslesen dürfen, weil es Hinweise enthalten kann auf Anstifter und Komplizen. Notwendig ist freilich - wie bei einer Hausdurchsuchung - ein richterlicher Beschluss, der bereits vorliegt. Apple ist weder die vierte Staatsgewalt noch das Verfassungsgericht; wer für ein iPhone viel Geld zahlt, kann sich nicht von Strafverfolgung freikaufen.

Gleichzeitig sind die Sorgen Apples und seiner Kunden sehr ernst zu nehmen. Verschlüsselung ist ein Werkzeug, mit dem sich auch rechtstreue Bürger gerade vor ihrer zuweilen maßlosen Regierung schützen möchten. Apple also sollte das Telefon Farooks selbst und in den eigenen Büroräumen zugänglich machen, es sollte dabei weder das Gerät noch die Zugangssoftware dem FBI überlassen, und es sollte die Polizei allein die Botschaften Farooks auslesen lassen. Apple also sollte den Inhalt der Wohnung aushändigen, nicht den Dietrich. Der Einzelfall muss ein Einzelfall bleiben: Der Staat muss ermitteln dürfen, was nötig ist, er darf aber nicht alles absaugen, was technisch möglich ist. Das ist die Lehre aus den Enthüllungen Edward Snowdens.

© SZ vom 19.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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