Verschärftes Waffenrecht:Ein Foto ersetzt die Kontrolle

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Nach dem Amoklauf von Winnenden wurde das Waffenrecht verschärft. Doch die Waffenbesitzer müssen kaum Hausbesuche von Kontrolleuren fürchten. Es fehlt an Personal - nicht aber an abstrusen Vorschlägen.

B. Dörries

Der Bewerber, so stand es in der Stellenanzeige, sollte "zeitlich flexibel" sein und über einen eigenen Pkw verfügen. Der Arbeitgeber wünschte sich Mitarbeiter, die über "waffenrechtliche Grundkenntnisse" verfügen und am besten auch noch über "ein sicheres Auftreten, Verhandlungsgeschick und Durchsetzungsvermögen im Umgang mit Waffenbesitzern". Den Interessierten erwarteten eine "abwechslungsreiche und verantwortungsvolle Tätigkeit im Öffentlichen Dienst" und 400 Euro monatlich.

Mit dieser Arbeitsplatzbeschreibung hatte der Rhein-Neckar-Kreis Waffenkontrolleure gesucht - bis das Innenministerium in Stuttgart einschritt, weil solche Kontrollen eine hoheitliche Aufgabe sei.

Es ist eine Aufgabe, die von Politikern aller Parteien im März als großer Schritt gelobt worden war, damals wurde das Waffenrecht nach dem Amoklauf von Winnenden verschärft.

Ein halbes Jahr später muss man aber sagen, dass sich in der Realität bisher wenig verändert hat. Seit dem 25. Juli haben die Kommunen die Möglichkeit, bei jedem Waffenbesitzer auch verdachtsunabhängig und unangemeldet zu prüfen, ob Pistolen und Gewehre ordnungsgemäß gesichert aufbewahrt werden, ob sie also beispielsweise in einem Schrank verschlossen sind.

Etwa zehn Millionen legale Waffen gibt es in Deutschland, dazu kommen nach Schätzungen des Bundeskriminalamts noch einmal 30 Millionen illegale. Der Vater des Amokläufers von Winnenden hatte seine Pistole rechtmäßig besessen, aber nicht verschlossen gehabt, der Sohn nahm sie aus dem Kleiderschrank.

Oft passiert einfach gar nichts

So etwas sollte mit dem neuen Waffenrecht verhindert werden. Die Frage ist nur, wer Millionen Waffenbesitzer kontrollieren soll und kann? Die Kommunen sind wenig begeistert über die neue Aufgabe und beklagen, dass ihnen für die nötigen Hausbesuche das Personal fehle. Der Rhein-Neckar-Kreis hat zumindest versucht, die Lücke mit Mini-Jobbern auszufüllen. In anderen Gemeinden werden Sachbearbeiter umgeschult - und oft passiert auch einfach gar nichts.

In Nürnberg hatte sich die Stadtverwaltung vorgenommen, pro Jahr 80 Waffenbesitzer zu kontrollieren - bei der Zahl der registrierten Pistolen und Gewehre würde es 100 Jahre dauern, bis alle überprüft worden wären. In Nürnberg gab es bisher aber nicht einmal eine einzige Kontrolle. Ende Juli wurden die Überprüfungen in vielen bayerischen Kommunen ausgesetzt, "bis in Kürze Vollzugshinweise" des Innenministeriums ergehen sollten. Darauf wartet man bis heute.

Die deutschen Ordnungsämter haben auch bemerkt, dass die Schützen zu den Arbeitszeiten des öffentlichen Dienstes sehr selten zu Hause anzutreffen sind. Viele Städte und Kreise bitten die Waffenhalter schriftlich darum, doch einfach eine E-Mail zu schicken, mit einem Bild der Waffe im Waffenschrank. Das genügt dann erst einmal. Im Main-Taunus-Kreis hat man erst gar nicht alle 4000 Waffenbesitzer angeschrieben, weil es "bis zur Klärung von Unklarheiten Jahre dauern könnte".

"Die Kontrollen dürfen nicht zur Farce werden", sagt Sebastian Edathy, SPD-Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des Innenausschusses. Aus seiner Sicht müssten die betroffenen Bürger zumindest eine personalisierte Rechnung über den Kauf eines Waffenschrankes vorlegen. Das Bündnis "Amoklauf Winnenden" fordert, dass Waffenbesitzer eine Gebühr für die Kontrollen zahlen sollten, um damit mehr Personal einzustellen. Die Politik hat diesen Vorschlag bisher ignoriert.

© SZ vom 15.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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