Vermittlungsversuche:Wir müssen reden

Lesezeit: 3 min

EU-Kommissionschef Juncker will kommende Woche in Washington den Konflikt entschärfen. Die Frage ist: Findet er noch Gehör?

Von Alexander Mühlauer

"Heiter und gelassen" fahre er kommenden Mittwoch nach Washington, ließ Jean-Claude Juncker wissen. Er wolle Donald Trump mit "objektiven Fakten" überzeugen, sagte der EU-Kommissionspräsident in dieser Woche. Doch damit beginnt schon das Problem. Juncker hat dem US-Präsidenten bereits beim G-7-Gipfel in Kanada allerlei Fakten zu Zöllen und Handelsbilanzen präsentiert. Trump hat das nicht groß beeindruckt. Wenige Tage vor Junckers Besuch im Weißen Haus sieht der US-Präsident die Lage so: "Sie werden am 25. Juli kommen, um mit uns zu verhandeln. Wir haben gesagt, wenn wir nicht über etwas Faires verhandeln, dann haben wir eine gewaltige Vergeltungskraft. Wir wollen sie nicht benutzen, aber wir haben gewaltige Kräfte."

Soweit die Drohkulisse aus Washington. Die Frage ist, was Juncker dort erreichen kann. In Brüssel betreibt man das übliche Erwartungsmanagement, also: bloß keine zu großen Hoffnungen. In einigen EU-Hauptstädten wird es bereits als Erfolg gewertet, dass Trump den Kommissionschef überhaupt empfängt. So sehr der Mann im Weißen Haus die Europäische Union auch ablehnt, so scheint er doch in Juncker jemanden gefunden zu haben, mit dem er immerhin noch reden will. "Ein guter Kerl" sei der Kommissionschef, sagte Trump in Kanada. Doch auch vermeintlich nette Worte änderten nichts an Trumps Haltung im Handelsstreit. Er droht nach wie vor damit, europäische Autos mit einem Einfuhrzoll von bis zu 25 Prozent zu belegen.

Juncker wird in der kommenden Woche nicht allein nach Washington fliegen. Mit an Bord ist Cecilia Malmström. Die Handelskommissarin erklärte am Donnerstag, dass man bereits eine Liste mit Vergeltungsmaßnahmen vorbereite, sollte Trump ernst machen und Autozölle einführen. "Das haben wir unseren amerikanischen Partnern klargemacht", sagte Malmström. Sie legte Wert darauf, dass die neuen Vergeltungsmaßnahmen ein ganz anderes Ausmaß haben würden als jene, die in Reaktion auf die US-Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte beschlossen wurden. Von letzteren seien nur EU-Exporte im Wert von 6,4 Milliarden Euro pro Jahr betroffen, sagte sie. Bei Autos und Autoteilen gehe es um Ausfuhren im Wert von 50 Milliarden Euro pro Jahr.

Juncker hat Zahlen dabei, um Trump zu zeigen, welche Schäden Autozölle anrichten würden

Das grundsätzliche Ziel der Washington-Reise sei es, die Lage zu deeskalieren. Juncker solle beim Treffen mit Trump ausloten, in welchem Rahmen es Handelsgespräche geben könnte. Malmström widersprach dem US-Präsidenten ausdrücklich: "Wir gehen da nicht hin, um irgendetwas zu verhandeln." Nun, das vielleicht nicht, aber Juncker hat neben Charme und Fakten auch einige Ideen im Gepäck. Zunächst sind da die Zahlen, die Trump noch einmal vor Augen führen sollen, welchen Schaden er mit Autozöllen anrichten würde. Sollte er seine Drohung tatsächlich wahrmachen, werde Amerikas Wirtschaftsleistung unmittelbar um bis zu zwölf Milliarden Euro geschwächt. So steht es in der Stellungnahme der EU-Vertretung in Washington, die an das US-Wirtschaftsministerium übergeben wurde. Da man in Brüssel nicht ganz sicher ist, ob Trump darüber informiert ist, dürfte Juncker daran erinnern - und noch weiter ausholen.

Mit Hilfe ökonomischer Fakten will er Trump verdeutlichen, dass die EU ein Verbündeter der USA ist und nicht, wie der US-Präsident zuletzt sagte, ein Gegner. So haben europäische Unternehmen allein im vergangen Jahr fast 2,9 Millionen Autos in den USA gebaut. Laut Kommission entspricht dies gut einem Viertel der gesamten US-Produktion. Die Autohersteller hätten 120 000 Arbeitsplätze in Amerika geschaffen. Das kann Trump nur gutheißen. Und das hat er auch schon öfters getan. Es ändert nur nichts daran, dass er die EU-Zölle auf US-Autos als "total unfair" ansieht.

Die Position der Europäer ist in dieser Frage unverändert: Man kann über alles reden, aber nicht mit der Pistole auf der Brust. In Frage kämen daher Verhandlungen über ein bilaterales Abkommen zwischen den USA und der EU, das mehrere Sektoren umfassen könnte, darunter Autos. Von dem einst angestrebten Freihandelsabkommen TTIP wäre das weit entfernt, aber immerhin der Versuch, etwas zu wagen, das Trump als ein neues, großartiges Ding verkaufen könnte. So sind die Europäer bereit, mehr Flüssiggas aus den USA abzunehmen. Außerdem hofft man noch immer, eine gemeinsame Linie gegenüber China zu finden. Doch Trump winkte bislang stets ab.

Juncker betonte in dieser Woche zwar, dass die EU in all diesen Fragen geschlossen agiere und sich nicht spalten lasse. Dagegen spricht jedoch, dass Deutschland bei Autozöllen von allen EU-Staaten am stärksten betroffen wäre. Dass die Bundesregierung und die deutsche Autoindustrie über mehrere Kanäle versucht haben, auf die US-Regierung einzuwirken und teils nicht abgesprochene Vorschläge machten, wurde von den anderen EU-Staaten nicht goutiert. Juncker dürfte also vor allem daran gelegen sein, Trump im persönlichen Gespräch davon zu überzeugen, dass man weiter über alles reden muss. Und zwar miteinander.

© SZ vom 20.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: