Verkehr:Erst Stau, dann Strand

Sperrung der A6 wegen Brückenabriss

Szenen wie dieser Stau an einer Baustelle auf der A6 bei Sinsheim werden sich in diesem Sommer vielfach auf deutschen Autobahnen abspielen.

(Foto: Uwe Anspach/dpa)

Die Bundesregierung erwartet mehr Autobahn-Baustellen. Für viele Urlauber könnte das lange Wartezeiten bedeuten, auch weil Reisen mit dem eigenen Auto wieder beliebter ist.

Von Markus Balser, Berlin

Mit dem Start der Ferien im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen beginnt an diesem Wochenende auf deutschen Autobahnen vielerorts wieder der Stop-and-Go-Verkehr. Kilometerlange Blechlawinen schieben sich dann vor allem dort langsam über den Asphalt, wo der Reiseverkehr auf Baustellen trifft. Und das passiert in diesem Sommer wegen der Sanierung des maroden Autobahnnetzes wohl ziemlich häufig.

Die Bundesregierung packt die Staugefahr nun in eine einzige amtliche Zahl: Die "Anzahl der gemeldeten Arbeitsstellen im Zeitraum vom 1. Juni bis 1. Oktober" liege 2018 bei 586, heißt es in einer Antwort des Bundesverkehrsministeriums auf eine kleine Anfrage der Grünen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Damit übertrifft die Zahl der Sommer-Autobahnbaustellen noch die des Stau-Rekord-Jahres 2017. Im vergangenen Jahr lag sie noch bei 571. Im gesamten Jahr registrierte der ADAC mit 723 000 so viele Staus wie noch nie. Die gesamte Länge lag bei 1,45 Millionen Kilometern - das entspricht rund 36 Erdumkreisungen.

Mit weniger Problemen rechnen Experten in diesem Sommer nicht. Sie fürchten eher mehr. Bei den Baustellen geht es schließlich auch nicht um kurze Vorhaben, sondern laut Bundesregierung um solche von "längerer Dauer" und mit erforderlichen Verkehrsbeschränkungen an vier oder mehr Kalendertagen. Der ADAC erwartet "beträchtliche Behinderungen". Zu den Problempassagen gehörten Großprojekte wie der Ausbau der A1 zwischen Hamburg und Schleswig oder der A8 von Stuttgart nach Ulm, die immer wieder für größere Engpässe sorgen, sagt ein Sprecher. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) verspricht zwar, dass nur dann in den Sommerferien gebaut wird, wenn es wirklich nötig ist. Doch das ist offenbar immer häufiger der Fall. Die Bundesregierung steckt in diesem Jahr 8,6 Milliarden Euro in den Erhalt und Ausbau des Autobahnnetzes, fast eine Milliarde mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Baustellen habe sich im Laufe der Jahre kontinuierlich erhöht, weiß Scheuer. Denn lange hatte der Staat zu wenig in den Erhalt des Straßennetzes gesteckt.

Dass Urlauber länger brauchen, liegt auch daran, dass Deutsche wieder häufiger ihr Auto nutzen

"Die Autobahnen sind zunehmend marode", klagt die Grünen-Chefin Annalena Baerbock. "Die Leidtragenden sind die Urlauber, die während der Sommermonate mit dem Auto verreisen und lange im Stau stehen müssen." Die Regierung setze noch immer zu sehr auf fragwürdige Neubauprojekte, während die bestehende Infrastruktur zunehmend zerfalle. "Zudem brauchen wir eine Verlagerung von der Straße auf die Schiene", sagt Baerbock. Das ist nicht nur umweltfreundlicher, sondern führt auch zu weniger Reparaturbedarf an den Straßen. Allein ein einziger Lkw beansprucht den Straßenbelag genauso wie 160 000 Pkw."

Dass Autofahrer Geduld brauchen, liegt aber auch am geänderten Reiseverhalten. Denn laut ADAC nutzen die Deutschen für Urlaubsreisen wieder häufiger ihr Auto. Viele Flugziele sind weniger gefragt. Die politische Situation und Terrorgefahren schrecken Urlauber ab. Das Verkehrsministerium will die Behinderungen möglichst klein halten. Im Juli und August gibt es wie in den vergangenen Jahren zusätzlich zu den Sonn- und Feiertagsfahrverboten auch Lastwagen-Fahrverbote an Samstagen. Zwar ließe sich die Stauzeit reduzieren, wenn etwa im Schichtbetrieb rund um die Uhr gebaut würde, heißt es beim ADAC. Doch der Verein weiß, woran das scheitert: "Es besteht ein Mangel an Personal", sagt ein Sprecher, vor allem in der Bauverwaltung und bei den Auftraggebern. Der Automobil-Club formuliert deshalb schon zurückhaltende Wünsche an das Baustellenmanagement: Wenigstens das Tageslicht sollte ausgenutzt werden.

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