Verbindungen der NPD zur Neonazi-Mordserie:Unter alten Kameraden

Gegen André E. hat der Ermittlungsrichter Haftbefehl erlassen: Er soll bei der Produktion des Bekennervideos der Zwickauer Terrortruppe geholfen haben. Die rechtsextreme NPD will mit der Neonazi-Mordserie nichts zu tun haben - doch es gibt immer mehr Hinweise, dass die Partei womöglich eng mit dem Umfeld der Terrorverdächtigen verbunden ist.

Kathrin Haimerl

Es läuft gerade nicht gut für den neuen NPD-Vorsitzenden Holger Apfel: Frisch gewählt verkündete er auf dem Bundesparteitag am 13. November einen "seriösen Radikalismus" als künftigen Kurs seiner Partei. Soll heißen: Moderates Auftreten nach außen, das allerdings nichts an den radikalen Inhalten ändert. Die Zwickauer Terrorzelle bezeichnet die Spitze der rechtsextremen Partei als "geistig verdorbene Verbrecher": "Wir sind eine Partei, die Terrorismus als Mittel der Politik strikt ablehnt", schreibt Apfel in einer Pressemitteilung.

Razzien und weitere Festnahme in Neonazi-Szene

Graffiti am Braunen Haus in Jena, das als Treffpunkt der Jenaer Neonazi-Szene gilt. Die Hinweise mehren sich, dass die NPD in Thüringen und Sachsen mit Neonazi-Gruppen eng verstrickt ist.

(Foto: dapd)

Doch mehrere Berichte legen die Vermutung nahe, dass die NPD mit Neonazi-Gruppen in Thüringen und Sachsen enger verstrickt ist als bislang bekannt: So habe es enge Beziehungen zum "Thüringer Heimatschutz" (THS) gegeben, aus der die Zwickauer Terrorzelle hervorgegangen sei, berichtete das ARD-Politikmagazin "Report Mainz". Im Jahr 2000 waren dem Fernsehbericht zufolge sieben von zwölf NPD-Vorstandsmitgliedern zugleich THS-Anhänger. Das habe eine erneute Auswertung der gemeinsamen NPD-Verbotsanträge durch Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung ergeben.

Auch der nun von der GSG 9 festgenommene André E. sowie dessen Bruder sind für die Ermittler keine Unbekannten: Beide werden der rechtsextremen Szene um die Neonazigruppe "Brigade Ost" zugeordnet, die ihren Schwerpunkt in Johanngeorgenstadt im sächsischen Erzgebirge hatte. Maik E. war zudem zeitweise Mitglied der Jungen Nationaldemokraten, wie der JN-Vorsitzende Michael Schäfer auf Anfrage von sueddeutsche.de bestätigt. Dem Verfassungsschutz zufolge war er sogar JN-Stützpunktleiter.

Anders die Darstellung von JN-Chef Schäfer: Demnach sei die Mitgliedschaft von E. nie über den Status als "Anwärter" hinausgegangen. "Er konnte sich bei uns nicht integrieren", erklärte Schäfer. "Er hatte keine Lust, sich an die Regeln zu halten. Es hat einfach nicht gepasst." Viele Kandidaten, die aus der lose organisierten Kameradschaftsszene kommen, hätten Schwierigkeiten, sich in die Parteistruktur einzugliedern, so JN-Chef Schäfer.

Die Spezialeinheit GSG 9 hatte an diesem Donnerstagmorgen André E. festgenommen. Inzwischen hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) den 32-Jährigen in Untersuchungshaft genommen. Bei seiner Vernehmung vor Gericht habe der Beschuldigte keine Angaben gemacht, teilte ein Sprecher der Behörde mit.

E. soll unter anderem bei der Produktion des Bekennervideos der Terrorgruppe aus dem Jahr 2007 geholfen haben. In der DVD macht sich die Comicfigur Paulchen Panther über die Opfer der Mordserie an ausländischen Kleinunternehmern und den Anschlag auf zwei Polizeibeamte in Heilbronn lustig. E. betrieb in seinem Heimatort Zwickau eine Videoproduktionsfirma und einen Versandhandel namens Caput Mortuum - zu Deutsch: Totenkopf. Inzwischen ist die Seite im Internet nicht mehr abrufbar.

Zudem soll André E. dem Terrortrio BahnCards zur Verfügung gestellt haben. Der Ermittlungsrichter hatte bereits am gestrigen Mittwoch Haftbefehl gegen E. erlassen. Demnach ist der Beschuldigte der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung in zwei Fällen dringend verdächtig. Darüber hinaus soll er sich der Volksverhetzung und der Beihilfe zur Billigung von Straftaten schuldig gemacht haben.

Neben E. ist derzeit ein weiterer, mutmaßlicher Helfer des Terrortrios inhaftiert: Holger G. soll den Verdächtigen seinen Führerschein und Reisepass überlassen haben. Damit seien der Bundesanwaltschaft zufolge Wohnmobile für die Gruppierung angemietet worden, darunter auch das Fahrzeug, das beim Mordanschlag auf die Heilbronner Polizisten benutzt worden sein soll. Ebenso wie Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe war auch Holger G. in den neunziger Jahren Mitglied der "Kameradschaft Jena", die später im "Thüringer Heimatschutz" aufging.

Parteikarriere bei der NPD

Zu den Führungspersonen des militanten Kameradschaftsnetzwerks gehörte auch der Neonazi Ralf W. Er gründete in den neunziger Jahren gemeinsam mit den mutmaßlichen Rechtsterroristen die Kameradschaft Jena. Später machte er bei der NPD Karriere: 1998 trat er in die rechtsextreme Partei ein und gehörte zu den Mitgründern des Kreisverbands Jena. 2005 trat er für die NPD bei der Bundestagswahl an.

Nach Angaben von NPD-Bundespressesprecher Franz trat er Ende September 2010 "aus persönlichen Gründen" aus der Partei aus. Seines Wissens nach gebe es zwischen der NPD und W. keine Kontakte mehr, erklärte Franz auf Anfrage von sueddeutsche.de. Einem Bericht der Berliner Zeitung zufolge belegen allerdings Einträge in einem nicht öffentlich zugänglichen Neonazi-Forum, dass W. nach wie vor enge Beziehungen zu der Partei pflegt. Stefan Heerdegen von der Mobilen Beratung für Demokratie gegen Rechtsextremismus in Thüringen (MOBIT) bestätigte sueddeutsche.de, dass die Verbindung zwischen der NPD und der Kameradschaftsszene in Thüringen traditionell sehr eng sei.

In Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die rechtsextreme Terrorgruppe hat die Polizei an diesem Donnerstag auch eine Wohnung in Jena durchsucht. Einen Bericht der Thüringer Allgemeinen, wonach es sich dabei um die Wohnung von Ralf W. gehandelt haben soll, wollte die Bundesanwaltschaft nicht kommentieren. Eine Festnahme habe es aber nicht gegeben.

Neben Ralf W. fällt derzeit bei den Ermittlungen im Umkreis der Zwickauer Terrorzelle auch immer wieder der Name André K. Fotos aus dem Jahr 1996 zeigen die beiden jungen Männer zusammen mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Erfurt beim Prozess gegen den Holocaust-Leugner Manfred Roeder, dessen "Deutsche Aktionsgruppen" 1980 mehrere Brand- und Sprengstoffanschläge verübt hatten. Das Bild zeigt, wie die Neonazis ein Plakat mit der Aufschrift "Unsere Großväter waren keine Verbrecher" entrollen. Auch K. soll zu den Hauptakteuren des "Thüringer Heimatschutzes" gehört haben und gilt als enger Freund von Ralf W.

Von Seiten der NPD selbst will man sich derzeit zu möglichen Verbindungen zu den Terrorverdächtigen nicht äußern: "Wir wollen erst einmal abwarten, was da rauskommt", erklärte NPD-Bundespressesprecher Frank Franz auf Anfrage. Man wolle prüfen, wer welche Verbindungen hat und tatsächlich NPD-Mitglied sei. Zudem seien die Verstrickungen des Verfassungsschutzes noch nicht geklärt.

Mit Material der Agenturen

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