Venezuela:Maduro muss Abwahl fürchten

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Bereit zum Großeinkauf: Venezolaner überqueren in Massen die Grenze zu Kolumbien, um sich dort mit dem Nötigsten einzudecken. (Foto: George Castellano/AFP)

Nächstes Jahr könnten die Venezolaner über die Amtsenthebung ihres Präsidenten abstimmen - der genaue Termin ist ein Politikum.

Von Sebastian Schoepp, München

Venezuela taumelt, doch Präsident Nicolás Maduro hält sich an der Macht fest. Zwar hat die Opposition bei dem Versuch, eine Abwahl Maduros zu erzwingen, einen wichtigen Sieg errungen, im Januar könnte es zu einem Referendum über seine Amtsenthebung kommen. Doch die Regierung versucht alles, um das zu verhindern. Außerdem bemüht sich Maduro verzweifelt, durch Verhandlungen mit anderen Opec-Ländern einen höheren Ölpreis durchzusetzen. Der Preisverfall des Rohstoffs ist Venezuelas Hauptproblem, das Land produziert fast nichts anderes als Öl, das großzügige Sozialsystem ist auf den Einnahmen aufgebaut, es sichert Maduros politisches Überleben.

Die Oberste Wahlbehörde hat es der Opposition nicht leicht gemacht. Fast zwei Millionen Unterschriften für ein Referendum gegen Maduro hatte sie nach eigenen Angaben gesammelt, 1,3 Millionen davon wurden nun für gültig erklärt. In allen 24 Bundesstaaten hätten mehr als ein Prozent der Wahlberechtigten für einen Volksentscheid unterschrieben, gab die Wahlbehörde bekannt, das reicht, um den nächsten Schritt zur Amtsenthebung einzuleiten, eine weitere Unterschriftensammlung. Hunderttausende mussten diesmal ihre Unterschrift durch einen Fingerabdruck bestätigen - ein heikles Unterfangen, denn Treue zum System wird in Venezuela mit sozialen Vergünstigungen honoriert, wer dagegen der Opposition hilft, muss mit Problemen rechnen.

Aber Maduros Unbeliebtheit nimmt stetig zu, weil sich die Regierung als unfähig erweist, die schwere Wirtschaftskrise zu lindern. Die Schlangen vor den Geschäften werden immer länger, die Inflation galoppiert, den Krankenhäusern gehen die Medikamente aus, und Maduro fällt nichts anderes ein, als immerfort die USA zu beschuldigen - die ja eigentlich außer Kuba der wichtigste Abnehmer von venezolanischem Öl sind. Als Notmaßnahme wurde am Wochenende die Grenze zu Kolumbien dauerhaft wiedereröffnet, dort versorgen sich viele Venezolaner mit dem Nötigsten. Die venezolanische Regierung hatte die Grenze vor einem Jahr dichtgemacht, um Schmuggel zu unterbinden, doch das lässt sich nun nicht mehr aufrechterhalten.

Auch innerhalb Südamerikas schwindet die Unterstützung für Maduro, der Chef der Organisation Amerikanischer Staaten, Luis Almagro, nannte ihn kürzlich ein "Diktatorchen", der linksgerichtete frühere Präsident Uruguays, José Mujíca, sagte, Maduro sei völlig verrückt geworden. Derzeit wehrt sich die Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur dagegen, dass Venezuela turnusmäßig den Vorsitz übernimmt. Die rechts-regierten Länder Argentinien, Paraguay und Brasilien beanstandeten, Venezuela fehle die Stabilität, die Menschenrechte würden zu wenig geachtet. Venezuela erhebt allerdings ähnliche Vorwürfe gegen Brasilien, wo gerade ein Amtsenthebungsverfahren gegen die Präsidentin läuft. Die vorübergehende Phase der Einigkeit in Lateinamerika, als die meisten Länder links regiert waren, ist dahin.

Der Präsident reist durch die arabische Welt, um für einen höheren Ölpreis zu werben

Anders als in Brasilien wird in Venezuela die Opposition jedoch von einer immer breiteren Volksbewegung getragen. Das Bündnis Mesa de la Unidad Democrática (Demokratischer Tisch der Einheit) MUD holte erst Ende 2015 eine Zweidrittelmehrheit im Parlament von Caracas. Deren Entscheidungen werden jedoch vom Verfassungsgericht immer wieder ausgehebelt, das Maduro beizeiten mit Getreuen besetzt hat. Auch sonst geht die Justiz hart gegen Oppositionelle vor. Das Urteil gegen den populären Regimegegner Leopoldo López zu 14 Jahren Haft wegen Anstachelung zur Gewalt wurde am Freitag bestätigt.

Die Opposition versucht nun, Maduro absetzen zu lassen. Nach der erfolgreichen ersten Unterschriftensammlung müssen in einem zweiten Schritt 20 Prozent der Wahlberechtigten überzeugt werden, dass eine Volksabstimmung zur Abwahl des Präsidenten durchgeführt wird - das wäre der dritte Schritt. Die Präsidentin des nationalen Wahlrats CNE, Tibisay Lucena, erklärte, die zweite Sammlung von Unterschriften könne Ende Oktober stattfinden. Vier Millionen müsste die Opposition zusammenbekommen, dann könnte das Referendum binnen 90 Tagen abgehalten werden.

Oppositionsführer Henrique Capriles kündigte an, sofort mit der Mobilisierung zu beginnen. Er drückt aufs Tempo, er will, dass das Referendum vor dem 10. Januar 2017 stattfindet, also mindestens zwei Jahre vor dem offiziellen Ende von Maduros Amtszeit 2019. Wird die Frist eingehalten, gibt es Neuwahlen, von denen die Opposition überzeugt ist, sie gewinnen zu können. Stürzt Maduro hingegen nach dem 10. Januar, würde Vizepräsident Aristóbulo Istúriz die Geschäfte übernehmen. Ihn hält die Opposition jedoch für mindestens so unfähig wie Maduro, der dann außerdem weiter im Hintergrund die Fäden in der Regierung ziehen könnte. Die Regierungspartei PSUV erklärte ohnehin, die Entscheidung des Wahlrates anfechten zu wollen.

Parallel reist Maduro durch die arabische Welt, um andere Opec-Staaten zu überreden, den Ölpreis zu erhöhen. Nur das könnte seine Präsidentschaft retten. Er strebt langfristig einen Preis von 70 US-Dollar für das Barrel (159 Liter) an. Derzeit liegt er aber bei nur 35 Dollar. Venezuela verfügt über die größten Ölreserven der Welt. Maduro wirft den USA vor, den Preis zu drücken, um seine Regierung zu stürzen.

© SZ vom 16.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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