Frankreich:Französischer Ex-Präsident Giscard d'Estaing tot

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Valéry Giscard d'Estaing ist tot. (Foto: JACQUES DEMARTHON/AFP)

Im französisch besetzten Koblenz geboren, stieg er zum Staatschef auf und amtierte von 1974 bis 1981 im Élyséepalast. Nun ist er im Alter von 94 Jahren gestorben.

Der frühere französische Staatschef Valéry Giscard d'Estaing ist tot. Der Zentrumspolitiker, der von 1974 bis 1981 im Élyséepalast amtiert hatte, starb im Alter von 94 Jahren, wie aus dem Umfeld des früheren Präsidenten berichtet wurde. Der Altpräsident war erst Mitte des Monats nach einem fünftägigen Aufenthalt aus dem Krankenhaus im westfranzösischen Tours entlassen worden.

Giscard d'Estaing war ein überzeugter Europäer und äußerte sich in der französischen Öffentlichkeit bis ins hohe Alter zu EU-Fragen. Der liberale Politiker bildete in den 1970er Jahren mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) ein bekanntes deutsch-französisches Duo.

Valery Giscard d'Estaing unterhält sich 1977 bei einem Besuch in Bonn mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt. (Foto: dpa)

Der hochgewachsene Franzose mit einem aristokratischen Auftreten überlebte seine Nachfolger François Mitterrand (1916-1996) und Jacques Chirac (1932-2019). Bei der Trauerfeier für Chirac im September 2019 in Paris nahm er - gebückt gehend - noch teil.

Im französisch besetzten Rheinland geboren

Giscard d'Estaing hatte auch persönlich eine enge Beziehung zu Deutschland. Er wurde am 2. Februar 1926 in Koblenz im damals französisch besetzten Rheinland geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg absolvierte er die französische Elitehochschule ENA. Er stieg dann zum Wirtschafts- und Finanzminister auf. Nach dem Tod von Präsident Georges Pompidou wurde er im Alter von 48 Jahren in das höchste Staatsamt gewählt.

Giscard setzte im Élyséepalast gesellschaftliche Reformen wie die Liberalisierung des Ehe- und Abtreibungsrechts durch. Gegen Ende seiner Amtszeit litt jedoch seine Popularität - unter anderem wegen der Affäre um ein Diamantengeschenk des zentralafrikanischen Diktators Jean-Bédel Bokassa.

Von 2002 an führte Giscard den EU-Reformkonvent, der zur Erneuerung der Europäischen Union einen Verfassungsentwurf vorlegte. Mit dem Nein der Franzosen und der Niederländer bei Volksabstimmungen im Jahr 2005 scheiterte das Vorhaben jedoch spektakulär. Danach übernahm der EU-Vertrag von Lissabon wichtige Regelungen der abgelehnten Verfassung. 2003 erhielt der Europapolitiker Giscard d'Estaing den Karlspreis der Stadt Aachen.

Giscard d'Estaing war im Mai dieses Jahres wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung in die Schlagzeilen geraten. Eine Reporterin des WDR hatte dem früheren Staatsoberhaupt vorgeworfen, ihr nach einem Interview mehrfach ans Gesäß gefasst zu haben. Die Pariser Staatsanwaltschaft begann daraufhin eine Untersuchung. Giscard d'Estaing wies den Vorwurf zurück. "Das ist alles grotesk."

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