USA:Zuversichtlich im Hinterhof

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Anhänger von Pete Buttigieg stehen trotz Kälte in Nashua, New Hampshire, Schlange, um ihren Wunschkandidaten reden zu hören. (Foto: Timothy A. Clary/AFP)

Bei den Vorwahlen in New Hampshire dominieren Bernie Sanders und Pete Buttigieg das Rennen der US-Demokraten. Dabei müsste eigentlich ein anderer punkten: der frühere Favorit und Ex-Vize-Präsident Joe Biden.

Von Hubert Wetzel, Washington

Donald Trump verfolgt die Demokraten. Als die Partei vor gut einer Woche in Iowa ihre erste Vorwahl abhielt, flog der Präsident für einen Abend nach Des Moines und ließ sich dort von seinen Anhängern feiern. Am Montag, nur wenige Stunden vor Beginn der "Primary" in New Hampshire, tauchte Trump in Manchester auf. "Will die Dems ein wenig durchschütteln", twitterte er hämisch. "Bei ihnen ist es alles so langweilig."

Die Demokraten würden das vermutlich bestreiten. Aus ihrer Sicht verläuft die Auswahl ihres Kandidaten für die Präsidentschaftswahl 2020 eher dramatisch als öde. Jedenfalls nicht so, wie die Mehrheit der Parteifunktionäre und professionellen Beobachter es vorhergesagt hatten. Joe Biden und Elizabeth Warren, der frühere Vizepräsident und die linke Senatorin aus Massachusetts, tun sich weit schwerer als erwartet. Stattdessen dominieren jetzt die Sieger von Iowa das Rennen, Bernie Sanders und Pete Buttigieg. Der linkspopulistische Senator aus Vermont und der frühere Bürgermeister aus Indiana führten am Vorabend der Wahl die Umfragen in New Hampshire an.

Rein arithmetisch gesehen, steht in New Hampshire genauso wenig auf dem Spiel wie in Iowa. Bei den Vorwahlen geht es für die Präsidentschaftsbewerberinnen und -bewerber darum, Delegierte für sich zu gewinnen. Diese sollen dann beim Parteitag im Juli die Kandidatin oder den Kandidaten der Partei für die Präsidentschaftswahl küren. Insgesamt sind 1990 Delegiertenstimmen nötig, um die Nominierung zu gewinnen. Und bis dahin ist es noch ein weiter Weg: In Iowa wurden gerade einmal 40 Delegierte verteilt: Buttigieg bekam 13, Sanders erhielt zwölf, an Warren gingen acht und an Biden sechs. In New Hampshire, das noch kleiner ist, werden insgesamt nur 24 Delegiertenstimmen vergeben. In South Carolina werden es Ende des Monats immerhin 54 Delegierte sein. Aber im Vergleich zu Bundesstaaten wie Kalifornien oder Texas, wo die Vorwahlen am 3. März stattfinden und 415 respektive 228 Delegiertenstimmen vergeben werden, sind all diese Staaten Kleinvieh.

Das gilt allerdings nicht für die politische Bedeutung der frühen Vorwahlstaaten. Im Gegenteil: Siege und Niederlagen in den ersten drei, vier Wahlen haben oft erhebliche Folgen für den gesamten Rest des Rennens. Kandidaten, die früh verlieren, mangelt es später an Unterstützung und Geld, um weiterzumachen. Das ist das bittere Schicksal, das im Moment Joe Biden droht. Sein Ergebnis in Iowa war, wie er selbst zugegeben hat, "ein Schlag in die Magengrube". Wenn die Prognosen sich bewahrheiten und er in New Hampshire wieder nur Vierter oder gar Fünfter wird, ist er fast schon erledigt.

Andererseits: New Hampshire ist bekannt dafür, den Verlierern von Iowa eine zweite Chance zu geben. Bill Clinton wurde dort 1992 überraschend Zweiter, erklärte sich zum "Comeback Kid" und gewann die Nominierung. 2008 rettete ein knapper Sieg in New Hampshire Hillary Clintons Vorwahlkampagne, obwohl sie am Ende gegen Barack Obama verlor. Auf einen ähnlichen Effekt hofft wohl auch Joe Biden. Für ihn ist South Carolina die "Brandmauer", dort muss er siegen. Doch ob und in welcher Verfassung er dort ankommt, hängt ganz wesentlich davon ab, wie er sich jetzt in New Hampshire schlägt.

Mike Bloomberg wartet das Hickhack der anderen Kandidaten erst mal gelassen ab

Sanders und Buttigieg müssen hingegen in New Hampshire beweisen, dass ihre Erfolge in Iowa - wo beide einen Teil der Wahlergebnisse nachzählen lassen wollen - nicht nur glückliche Ausreißer nach oben waren. Sanders ist in einer bequemeren Position. Er stammt aus dem Nachbarstaat Vermont, New Hampshire ist sozusagen sein Hinterhof. In den Vorwahlen 2016 schlug er dort Hillary Clinton mit 60 zu 38 Prozent und warf sie fast aus dem Rennen. Clinton fing sich dann allerdings, siegte später in den großen Bundesstaaten und eroberte so die Nominierung. Aber Sanders hat sich eine treue Gefolgschaft in New Hampshire bewahrt.

Buttigieg wiederum profitierte enorm von seinem Sieg in Iowa. Seine Umfragewerte in New Hampshire stiegen danach deutlich. Ob das nur eine Verbesserung auf dem Papier war oder Wähler sich tatsächlich von anderen Kandidaten ab- und ihm zugewandt haben und dann bei ihm geblieben sind: Das wird sich am Wahlabend zeigen.

Unabhängig vom genauen Wahlergebnis wird in New Hampshire aber vermutlich wieder sichtbar werden, wie tief die Spaltung der Demokraten ist zwischen dem linken Flügel, vertreten durch Sanders und Warren, und dem moderaten Flügel, dem Buttigieg, Biden und Senatorin Amy Klobuchar angehören. Wie diese Kluft überbrückt werden soll, wenn es in der Hauptwahl gegen Donald Trump geht, ist unklar. Der erbitterte, oft von persönlichen Attacken geprägte Wahlkampf macht es nicht leichter, die Partei zu einen. Und wenn ein Teil der demokratischen Wähler im November zu Hause bleibt, weil ihm der eigene Kandidat suspekt ist, wird es schwierig, Trump zu schlagen.

Mit diesem Szenario rechnet der Kandidat, der weder in Iowa noch in New Hampshire angetreten ist, der aber schon zig Millionen Dollar in den Wahlkampf investiert hat: Mike Bloomberg. Seine sehr unorthodoxe Strategie besteht darin, das Hickhack der frühen Vorwahlen gelassen abzuwarten und erst am 3. März, dem "Super Tuesday", als großer Versöhner einzusteigen. Dann werden an einem Tag 1357 Delegierte vergeben. Und wen kümmert dann noch New Hampshire?

© SZ vom 11.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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