Wein-Export:Zu Kopf gestiegen

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Vor gut einem Jahr verhängte Donald Trump Strafabgaben auf viele Weine aus Europa. Seither hat sich der Geschmack der Amerikaner deutlich verändert.

Von Claus Hulverscheidt

Zu den schönen Dingen, die man über ein gutes Glas Wein sagen kann, gehört, dass Wein bei richtiger Komposition viel mehr ist als die Summe seiner Zutaten. Wenn Süße, Säure, Alkohol, Gerb- und Mineralstoffe in Balance sind, dann wird aus einer wässrigen Lösung, wie Wissenschaftler sie nennen würden, ein wahrer biochemischer Wundercocktail - frisch, fruchtig und duftend wie eine Sommerwiese bei den weißen Sorten, komplex, samten und den Rachen schmeichelnd bei den roten. Kurzum: verflüssigtes Glück.

Der Alkoholgehalt hingegen ist, anders als manche meinen, kein tauglicher Gradmesser für Qualität, sondern allenfalls ein Indikator, wie stark am Tag darauf der Kopfschmerz ausfallen kann. Dennoch passiert in den USA zurzeit genau das: Die Kunden greifen im "Liquor Store" zielgerichtet nach Flaschen, die auf dem Etikett eine besonders hohe Prozentzahl ausweisen - und wie so vieles, was im Land der Freien zuletzt falsch gelaufen ist, hat auch das mit Donald Trump zu tun.

Im Oktober 2019 verhängte die US-Regierung einen Einfuhrzoll von 25 Prozent auf Hunderte Lebensmittel aus Europa. Hauptbetroffene der Strafaktion: Frankreich, Deutschland, Spanien und Großbritannien - jene Länder, die aus Sicht des Präsidenten den Flugzeugbauer Airbus mit unrechtmäßigen Subventionen pampern und dessen US-Konkurrenten Boeing so am Geschäftserfolg hindern. Nun haben Flugzeuge und Wein allenfalls bei der Bordverpflegung einen Berührungspunkt, aber derlei Details haben den selbsternannten "Zoll-Mann" ja noch nie gestört. Immerhin: Trump, dessen Leibgetränk Diät-Cola ist, gestattete eine Ausnahme: Die Strafabgabe gilt, warum auch immer, nur für Rebsäfte mit einem Alkoholgehalt von 14 Prozent und darunter.

Was nun folgte, ist ein Lehrbeispiel für Verhaltensökonomen: Die Nachfrage amerikanischer Kunden nach europäischen Weinen mit mehr als 14 Prozent verdreifachte sich binnen zwölf Monaten auf gut 430 Millionen Dollar, der Absatz von Importen mit niedrigerem Alkoholgehalt dagegen brach um die Hälfte auf 840 Millionen Dollar ein. Manche Hersteller reagierten noch rechtzeitig und brachten Weine auf den Markt, die es beispielsweise auf angeblich exakt 14,02 Prozent bringen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Zu den Profiteuren der Trumpschen Wutpolitik zählen unter anderem Weinbauern aus Italien, das nicht zu den Airbus-Heimatländern gehört. Auch Winzer in Spanien und Frankreich, die aufgrund ihrer Weinbergslagen und Ausbaumethoden traditionell Rotweine mit recht hohem Alkoholgehalt verkaufen, freuen sich. Gelackmeiert sind dagegen viele Anbieter aus Hochburgen wie dem Burgund und Bordeaux - sowie fast alle deutschen Produzenten, die meist auf weiße Sorten setzen. Ein guter trockener Riesling, das Premiumprodukt aus der deutschen Vorzeigetraube, ist mit zwölfeinhalb oder dreizehn Prozent bestens bedient, gleiches gilt für den roten Spätburgunder.

Die Hoffnung der Winzer richtet sich nun auf Joe Biden, der Trump am 20. Januar als Präsident ablösen wird. Hält auch er an den Zöllen fest, bleibt nur noch der Klimawandel: Er bewirkt, dass der Alkoholgehalt vieler Weine in den kommenden Jahren von ganz alleine weiter steigen wird.

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