USA:Trumps offene Flanke

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Nikki Haley gilt als Anwärterin auf die Nachfolge des angeschlagenen Außenministers Rex Tillerson. (Foto: Richard Drew/AP/dpa)

Wie zwei Hardliner - unter ihnen UN-Botschafterin Haley - den US-Präsidenten zu einem scharfen Iran-Kurs brachten.

Von Hubert Wetzel, Washington

Unter den außen- und sicherheitspolitischen Beratern von Donald Trump sind etliche Generäle. Verteidigungsminister James Mattis, Sicherheitsberater H.R. McMaster, Stabschef John Kelly - alle drei haben früher Uniformjacken voller Orden und Schulterklappen voller Sterne getragen. Sie waren im Krieg. Und sie wissen, wie gefährlich es ist, die eigene Flanke nicht zu decken. Manchmal verliert man dann eine wichtige Schlacht.

Dass das auch für die Politik gilt, mussten die Soldaten in den vergangenen Wochen erfahren: Während sie versuchten - unterstützt von Außenminister Rex Tillerson, der freilich nur bei den Pfadfindern war -, den US-Präsidenten vom Wert des Atomabkommens mit Teheran zu überzeugen und alle Attacken aus dem Lager der Iran-Falken abzuwehren, wurden sie ausmanövriert. Und geschlagen. Ausgerechnet eine Zivilistin, noch dazu eine vergleichsweise junge und rangniedrige, umging die Flanke der Generäle und überzeugte Trump davon, einen harten Kurs gegen Iran zu steuern: Nimrata Haley, genannt Nikki, Tochter indischer Einwanderer, 45 Jahre alt, bis 2016 Gouverneurin von South Carolina und seither Botschafterin der Vereinigten Staaten bei den UN.

UN-Botschafterin Nikki Haley zog Nutzen daraus, dass sie nicht dem Außenminister unterstellt ist

Haley nutzte dabei eine Absonderlichkeit im amerikanischen System: Als UN-Botschafterin ist sie nicht irgendeine Entsandte des State Department - und mithin Untergebene von Minister Tillerson -, sondern Kabinettsmitglied. Sie hat direkten Zugang zum Präsidenten. Und sie versteht Trump ganz offensichtlich. In einer Sitzung im Sommer, als Trump herummotzte, wie sehr er das Atomabkommen hasse, und alle anderen Berater ihn drängten, es trotzdem unangetastet zu lassen, meldete sich Haley zu Wort. Sie wolle, so berichtet es das Internetmagazin Politico, gerne einmal die Argumente für einen schrittweisen Ausstieg aus der Vereinbarung darlegen, sagte sie. Trump freute sich. Damit war die Schlacht schon halb gewonnen.

In den Wochen danach wurde dann im Weißen Haus jener Kompromiss erarbeitet, den Trump am Freitag vorgetragen hat: Die Vereinigten Staaten kündigen die Atomvereinbarung zwar nicht sofort. Aber der Präsident weigert sich, dem Kongress erneut offiziell zu bestätigen, dass Teheran sich an das Abkommen hält und dessen Erhalt im Sicherheitsinteresse der USA liegt. Der Kongress hat nun Zeit, das Abkommen durch ein separates Gesetz zu verschärfen. Schafft er das nicht, behält Trump sich vor, den Vertrag "zu jedem Zeitpunkt" doch noch zu kündigen.

Die Formulierung "zu jedem Zeitpunkt" wurde dem Vernehmen nach von einem weiteren Iran-Falken an den Generälen vorbei in die Rede geschleust. Angeblich hat John Bolton, ein beinharter nationalistischer Republikaner und einst ebenfalls UN-Botschafter der USA, es kurz vor der Rede geschafft, mit Trump zu telefonieren und ihm einige Ratschläge zu geben. Eigentlich hatte Stabschef Kelly jeden Kontakte zwischen Bolton und Trump untersagt. Doch irgendwie schlug sich Bolton an der Abwehr vorbei und gelangte zu Trump.

Das Ergebnis des doppelten Flankenangriffs von Haley und Bolton: Trumps Rede war noch kein Todesstoß für das Atomabkommen. Doch der Vertrag, den die daran beteiligten Europäer unbedingt erhalten wollen, hat einen schweren Schlag erhalten; ob er überleben wird, ist ungewiss.

Nikki Haleys Ehrgeiz gilt übrigens als längst nicht gestillt. Ihr Name taucht immer wieder auf, wenn über eine mögliche Nachfolge für den wackelnden Außenminister Tillerson spekuliert wird. Oder über eine künftige republikanische Präsidentschaftskandidatin.

© SZ vom 16.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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