USA:Trumps Mann

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Der Präsident ist sehr zufrieden über den Erfolg von Boris Johnson.

Von Hubert Wetzel, Washington

Bevor am Donnerstag die Wahllokale schlossen, bekamen die Briten noch einen Ratschlag aus den USA. Alexandria Ocasio-Cortez, die linke Ikone der Demokraten, twitterte eine Wahlempfehlung über den Atlantik - einen Werbespot der Labour Party, den deren Vorsitzender Jeremy Corbin verbreitet hatte und in dem Ungleichheit und Ungerechtigkeit angeprangert wurden. "UK, Vote!", schrieb Ocasio-Cortez, und es war vollkommen klar, wen die Briten ihrer Ansicht nach wählen sollten.

Ein paar Stunden später, als die ersten Wahlergebnisse bekannt wurden, meldete sich dann Donald Trump bei Twitter zu Wort. "Glückwünsche an Boris Johnson zu seinem großen SIEG", schrieb der US-Präsident in triumphalen Großbuchstaben. So, wie es aussah, hatten die Wähler in Großbritannien die Empfehlung von Ocasio-Cortez ignoriert und stattdessen für den von Trump bevorzugten Kandidaten votiert. Und natürlich will Trump, dass die amerikanischen Wähler das bei der Präsidentschaftswahl im November 2020 auch so machen, nur dass der von ihm bevorzugte Kandidat dann Donald Trump heißt und nicht Boris Johnson.

Die Debatte darüber, ob im Ergebnis der britischen Wahl irgendwelche Lehren für die amerikanische Wahl stecken - und wenn ja, welche - begann unter Politstrategen und Kommentatoren noch in der Nacht. Labour und die US-Demokraten sind zwar sehr verschiedene Parteien, und es gibt keinen demokratischen Präsidentschaftsbewerber, der ähnlich unbeliebt wäre wie Jeremy Corbyn. Aber in gewisser Hinsicht kämpfen beide Parteien mit einem ähnlichen Problem: Die untere weiße Mittelschicht, ihre alte Stammklientel, wandert zu den populistischen Nationalisten Johnson und Trump ab. Übrig bleiben als Wähler Akademiker, junge linken Aktivisten und Angehörige von Minderheiten. Das aber reicht oft nicht, um Wahlen zu gewinnen, zumal bei einem Mehrheitswahlrecht.

Bei den Demokraten gibt es zwei Denkschulen, wie man aus diesem Dilemma herauskommen kann. Ein Flügel, zu dem die Abgeordnete Ocasio-Cortez sowie die Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders und Elizabeth Warren gehören, fordert, dass die Partei einen mutigen, dezidiert linksliberalen Kurs steuern soll. Dadurch, so das Argument, würden mehr neue Wähler an die Demokraten gebunden, als alte Wähler aus dem konservativeren Arbeitermilieu wegbrächen.

Diese Theorie hat mit Corbyns Niederlage allerdings einen kräftigen Dämpfer erlitten. Insofern ist es kein Wunder, dass ihre Anhänger sich am Freitag bemühten, die Unterschiede zwischen den linken Demokraten und Corbyn zu betonen. Der Brite, so heißt es, sei bei den Wählern derart verhasst gewesen, dass er persönlich seiner Partei alle Chancen auf einen Sieg geraubt habe.

Der andere Flügel der Demokraten, der von Bewerbern wie Pete Buttigieg, Joe Biden oder Amy Klobuchar repräsentiert wird, fordert dagegen politische Mäßigung. Sie wollen die Partei zurück in die Mitte rücken, nicht weiter nach links, ihr Ziel sind begrenzte politische Reformen, keine umfassende gesellschaftliche Revolution. Und diese Demokraten sehen sich durch das britische Ergebnis bestätigt. Sollte die Partei mit Warren oder gar dem selbsterklärten "demokratischen Sozialisten" Sanders als Kandidat in den Wahlkampf gegen Trump ziehen, so die Befürchtung, werde es ihr ergehen wie Labour.

Der Politikprofessor Larry Sabato von der University of Virginia gab den Demokraten am Freitag einen Rat, der wohl in jedem Fall zutrifft, das politische Dilemma der Partei freilich nicht löst: "Eine Botschaft der britischen Wahl für die Demokraten ist: Macht es einfach, nicht schwierig, für die Menschen, für euren Kandidaten zu stimmen", twitterte er. "Wenn ein Kandidat nicht eine breite Menge an Menschen anspricht, dann schauen sich die Wähler sein politisches Programm gar nicht erst an."

© SZ vom 14.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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