USA:Trumps Hausmeister räumt auf

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Der neue Stabschef John Kelly soll Ordnung schaffen und die Intrigen im Weißen Haus beenden. Dabei muss er gleich mehrere Machtzentren disziplinieren.

Von Hubert Wetzel, Washington

Abstieg: Anthony Scaramucci musste bereits nach anderthalb Wochen im Amt als Kommunikationschef des US-Präsidenten wieder gehen. Seine Entlassung gilt als eine der ersten Entscheidungen des neuen Stabschefs. Trump sprach von einem „großartigen Tag“. (Foto: Jonathan Ernst/Reuters)

Die amerikanische Marineinfanterie, in der John Kelly 46 Jahre lang gedient hat, ist so ziemlich das Gegenteil vom Weißen Haus des Donald Trump. Die eine Institution fußt auf den Prinzipien von Disziplin, Befehl und Gehorsam; in der anderen regiert seit sechs Monaten das Chaos; jeder macht, was er will, allen voran der Präsident. In Washington laufen deswegen bereits Wetten: Wer zwingt hier wen in die Knie? Kann Kelly, ein ehemaliger Vier-Sterne-General der Marines, bisher Heimatschutzminister und seit Montag der neue Stabschef von Trump, die vielen konkurrierenden Berater und Vertrauten des Präsidenten unter Kontrolle bringen? Oder geht er in dem Strudel von Rivalitäten und Egoismen unter?

Am ersten Tag zumindest zeigte Kelly, wer Herr im Haus ist. Kaum vereidigt, teilte er dem umstrittenen Kommunikationschef Anthony Scaramucci mit, dass er entlassen sei. Scaramucci, ein New Yorker Finanzinvestor, war erst vor wenigen Tagen von Trump persönlich auf seinen Posten geholt worden - eine Personalie, die zuerst zum Rücktritt von Sprecher Sean Spicer, dann zum Rauswurf von Stabschef Reince Priebus geführt hatte. Darüber hinaus hatte Scaramuccis Beitrag zur Kommunikation des Weißen Hauses vor allem in einem Telefonat mit einem Reporter der Zeitschrift The New Yorker bestanden, in dem er etliche seiner Kollegen im Weißen Haus vulgär beschimpfte. Zuerst hatte es geheißen, Trump habe der Ausraster seines neuen Mitarbeiters durchaus gefallen, ein paar Tage später nannte das Weiße Haus Scaramuccis Wortwahl aber "unangemessen". Am Montag flog Scaramucci raus.

Damit hat Kelly Trump von dessen drängendstem Personalproblem befreit. Aber die Malaise im Weißen Haus ist viel größer. Es gibt dort diverse Fraktionen, die gegeneinander arbeiten und sich mit durchgestochenen Informationen regelrechte Gefechte liefern. Priebus, ehemals Parteichef der Republikaner, vertrat in diesem internen Bürgerkrieg das von Trump so verachtete Partei-Establishment. Er hat nun verloren, aber der erbitterte Kampf zwischen den "America first"-Nationalisten um Trumps Chefstrategen Stephen Bannon und die sogenannten Globalisten um Wirtschaftsberater Gary Cohn geht weiter.

Ein weiteres Machtzentrum bilden die Familienmitglieder Trumps: Ivanka und ihr Ehemann Jared Kushner, die älteste Tochter und der Schwiegersohn des Präsidenten. Beide arbeiten im Weißen Haus, beide haben ausufernde und zugleich vage definierte Portfolios. Beide haben jederzeit Zugang zu Trump, er hört auf sie, auch wenn er sich am Ende bei Entscheidungen nicht immer nach ihnen richtet.

Kelly muss auch noch eine Abwehrschlacht gegen die Russland-Ermittlungen führen

Und dann gibt es natürlich den Präsidenten selbst. Trump trägt zur Verwirrung und den Machtkämpfen durchaus seinen Teil bei, indem er ständig einzelne Mitarbeiter intern oder öffentlich vorführt - zuletzt traf es Justizminister Jeff Sessions -, ständig seine Meinung ändert und mal diese, mal jene politische Agenda vorantreibt. Trump, so heißt es, möge es, wenn seine Untergebenen hart konkurrierten und einander beharkten. Allerdings: Auf diese Weise kann man vielleicht einen Immobilienkonzern führen, die Regierung der Vereinigten Staaten aber offensichtlich nicht. Es ist kein Zufall, dass Trump bisher kein einziges nennenswertes Gesetz durch den Kongress gebracht hat.

Der ehemalige General Kelly hätte den Posten des Stabschef wohl nicht übernommen, hätte Trump ihm nicht zugesichert, dass er durchgreifen darf, dass er die bedingungslose Rückendeckung des Präsidenten hat - und dass das auch alle wissen. Scaramuccis Rauswurf wirkte wie ein Exempel: Kelly feuerte den großmäuligen Selbstdarsteller an seinem ersten Tag, Trump twitterte seine Zustimmung: "Ein großartiger Tag im Weißen Haus." Zudem hieß es, dass von nun an alle Mitarbeiter nur noch an Kelly Bericht erstatten - auch das notorisch unabhängige Paar Trump/Kushner -, dass es keine unabgestimmten Vorstöße mehr geben soll, keine Intrigen. Stattdessen sollen Trumps Mitarbeiter tun, was von ihnen erwartet wird: Sie sollen gemeinsam dem Präsidenten dienen, nicht ihren eigenen Egos. Ob Kelly es schafft, dem Weißen Haus Disziplin aufzuzwingen, weiß niemand. In den wenigen Monaten als Heimatschutzminister hat er ruhig und effektiv gearbeitet. Die meisten Beobachter in Washington trauen es dem ehemaligen Soldaten daher zu, sofern Trump ihm hilft.

Doch es geht nicht nur um Personalien. Kelly muss zugleich eine Abwehrschlacht gegen die Russland-Ermittlungen organisieren, die das Weiße Haus in Bedrängnis bringen, er muss Trump zu legislativen Siegen im Kongress verhelfen und er muss dem Präsidenten selbst etwas mehr Selbstbeherrschung einimpfen - vermutlich der schwierigste Teil seiner Arbeit. Sollte Kelly scheitern, so die Einschätzung, dann sei das der unumstößliche Beweis, dass Trumps Weißes Haus schlicht und einfach unregierbar ist.

Der republikanische Senator Lindsey Graham sagte am Dienstag in einem TV-Interview über Trump: "Wir haben ihn nicht geschaffen. Das amerikanische Volk hat ihn gewählt. Er ist dazu verpflichtet, unser aller Präsident zu sein und das Chaos zu stoppen. Der größte Teil des Chaos ist von ihm selbst verursacht."

© SZ vom 02.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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