USA:Seitenkanal ums Weiße Haus herum

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Trumps Schwiegersohn wollte eine geheime Leitung mit Russland. Nur ungewöhnlich oder auch illegal?

Von Hubert Wetzel, Washington

Sollte ihm gesetzwidriges Verhalten nachgewiesen werden, könnte dies Folgen für den Präsidenten haben: Jared Kushner (links, neben Chefberater Steve Bannon). (Foto: Andrew Harnik/AP)

Die Amerikaner werden in den kommenden Tagen oft ein seltsames Wort zu hören bekommen: back channel. Der Begriff beschreibt im diplomatischen Geschäft einen Gesprächskanal - channel bedeutet Kanal - zwischen Regierungen, der abseits der offiziellen Wege verläuft, also hintenherum; the back - das ist die Hinterseite eines Hauses. So viel zur Begriffsklärung, ohne die man die neueste Affäre nicht versteht, die derzeit das Weiße Haus erschüttert und Washington aufregt.

Denn wie nun bekannt geworden ist, hat Jared Kushner, der Schwiegersohn von Präsident Donald Trump, Ende 2016 versucht, einen solchen back channel mit Russland einzurichten. Berichten zufolge soll er dem russischen Botschafter in Washington, Sergej Kisljak, bei einem Treffen im Trump Tower am 1. oder 2. Dezember einen entsprechenden Vorschlag gemacht haben. Bei dem Gespräch war angeblich auch Michael Flynn anwesend, Trumps als sehr russlandfreundlich bekannter Sicherheitsberater. Kushner soll sogar angeregt haben, dass die Gespräche über diesen geheimen Kanal von russischen Regierungseinrichtungen in den USA aus geführt werden könnten, also von der Botschaft oder Konsulaten aus. Kushner übersah aber offenbar, dass die US-Spionageabwehr routinemäßig die Kommunikation von Botschafter Kisljak überwacht. Als dieser den Vorschlag nach Moskau meldete, hätten die US-Dienste mitgehört und davon erfahren, so die Washington Post.

Damit ist nun ein weiterer Mitarbeiter Trumps in den Strudel der dubiosen Beziehungen zwischen Russland und dem Wahlkampfteam des Republikaners geraten. Flynn musste bereits zurücktreten, weil er falsche Angaben über seine Kontakte zu Botschafter Kisljak gemacht hatte. Das war peinlich für Trump. Jared Kushner allerdings ist politisch von ganz anderem Kaliber. Sollte ihm ein illegales Verhalten nachgewiesen werden können, könnte das auch für Trump persönlich Folgen haben.

Der erst 36 Jahre alte Jared Kushner ist der Ehemann von Trumps ältester Tochter Ivanka. Er war aber schon im Wahlkampf einer der einflussreichsten Mitarbeiter seines Schwiegervaters. Vor allem war Kushner einer der wenigen Leute im Umfeld Trumps, die ausländische Diplomaten für vertrauenswürdig, informiert, vernünftig und zugänglich genug hielten, um Kontakte zu ihm zu knüpfen. Nach Trumps Sieg stieg das Interesse an Gesprächen mit Kushner rapide an. Dass Kisljak im Lauf des Jahres 2016 einige Male mit Kushner telefoniert und sich später auch mit ihm getroffen hat, ist daher weder überraschend noch illegal.

Ähnliches gilt für back channels. Es ist in der Diplomatie durchaus üblich, dass Regierungen solche inoffiziellen Gesprächskanäle einrichten, etwa indem ein Regierungschef eine vertraute Privatperson zu seinem Emissär macht oder einen Kollegen aus einem anderen Land als Mittler einschaltet. Auf diese Weise lassen sich zum Beispiel besonders heikle Themen besprechen oder Kontakte zu problematischen Regimes knüpfen, ohne dass es öffentlich bekannt wird. Laufen die Gespräche schief, können alle Seiten glaubhaft bestreiten, dass es überhaupt Kontakte gab. US-Präsident Barack Obama nutzte solche geheimen, informellen Kanäle sehr erfolgreich, um die Annäherung an Iran und Kuba einzufädeln.

In konservativen US-Medien wurde am Wochenende auf diese Beispiele verwiesen, um Kushner in Schutz zu nehmen. Auch Trumps Sicherheitsberater Herbert R. McMaster sagte, er sei nicht besorgt wegen der Berichte, back channels seien Teil des diplomatischen Alltags.

Bei Kushners Vorstoß gibt es jedoch einen entscheidenden Unterschied: Normalerweise verlaufen back channels zwischen zwei amtierenden Regierungen. Obama wusste zu jedem Zeitpunkt, dass, wie und worüber seine Leute mit den Regierenden in Teheran und Havanna redeten. Kushner jedoch wollte einen Gesprächskanal nach Moskau an der amtierenden US-Regierung vorbei einrichten. Genau genommen war das weniger ein back channel als vielmehr ein Seitenkanal zur Umgehung von Außenministerium und Weißem Haus. Donald Trump war im Dezember 2016 zwar schon Wahlsieger und President-elect. Als neuer Präsident wurde er aber erst am 20. Januar 2017 vereidigt. Insofern war das, was Kushner getan hat, nach Ansicht vieler Außenpolitik-Experten zumindest höchst ungewöhnlich und unangemessen, vielleicht sogar illegal. Es gibt ein Gesetz - den sogenannten Logan Act von 1799 -, das Privatpersonen verbietet, unerlaubt in Verhandlungen mit ausländischen Regierungen zu treten.

Laut New York Times wollte Kushner den Kanal, damit Flynn inoffiziell mit Moskau über sicherheitsrelevante Themen wie den Krieg in Syrien sprechen konnte. Trump und seine Mitarbeiter äußerten sich damals sehr viel freundlicher über Russland als die Obama-Leute. Es gab Spekulationen, dass Trump als ersten Kollegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin treffen würde. Deswegen steht nun die Frage im Raum, ob Kushner schon vor dem Regierungswechsel versucht hat, eine parallele Außenpolitik mit Moskau zu betreiben.

© SZ vom 29.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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