USA:Obamas Agenda steht vor Gericht

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Wird hier im Juni die Reform-Politik Barack Obamas ausgebremst? Der Supreme Court in Washington. (Foto: Karen Bleier/AFP)

Der Supreme Court in Washington urteilt nun über wichtige Reformen - und damit auch über die Macht des US-Präsidenten.

Von Nicolas Richter, Washington

US-Präsident Barack Obama hat viele seiner Reformen gegen große Widerstände durchgesetzt, gegen politische und wirtschaftliche. Als besonders hartnäckig aber erweisen sich jetzt, anderthalb Jahre vor dem Ende seiner Amtszeit, die juristischen Widerstände: Die US-Gerichte könnten die Agenda des Präsidenten zerreiben und sogar seinen größten innenpolitischen Erfolg zunichte machen - die Gesundheitsreform. Noch im Juni wird das oberste US-Gericht den Fall "King v Burwell" entscheiden und damit das Schicksal des Gesetzes, das Millionen Amerikaner zum ersten Mal unter den Schutz einer Krankenversicherung gestellt hat.

Eigentlich ist nur eine missglückte Formulierung im Gesetz umstritten. Sollte der Supreme Court in Washington diesen Text aber streng auslegen, dürfte die US-Regierung die Versicherungsprämien etlicher Bürger nicht mehr bezuschussen, diese würden ihren Versicherungsschutz verlieren und das System würde mutmaßlich unter dem Verlust von mehr als sechs Millionen Mitgliedern zusammenbrechen.

Obama zeigte sich Anfang der Woche ungewöhnlich gereizt. "Dies sollte ein einfacher Fall sein", sagte der Präsident, "ehrlich gesagt, sollte das Gericht ihn nicht einmal aufgegriffen haben." Obama ist beunruhigt, dass die konservative Richtermehrheit am obersten Gericht seine Reformagenda verwirft. Das Gesetz für die Gesundheitsreform ist 2010 entstanden, damals mit demokratischer Mehrheit im Parlament. Der Fehler im Gesetzestext ließe sich vom Kongress theoretisch leicht korrigieren. Doch inzwischen beherrschen die Republikaner sowohl das Abgeordnetenhaus als auch den Senat, und sie haben nicht vor, die Reform zu retten.

Auch andere Initiativen Obamas drohen an den Gerichten zu scheitern. Der Supreme Court wird in Kürze darüber urteilen, ob neue Vorgaben zum Klimaschutz juristisch zu halten sind. Die Umweltbehörde EPA hat strenge Grenzwerte für Emissionen aus Kohlekraftwerken festgelegt, vor allem für Quecksilber. Obama möchte damit die Energiewende in den USA beschleunigen. Der Kampf gegen den Klimawandel ist ein zentraler Teil seiner Agenda.

Vorwurf der Republikaner: Der Mann im Weißen Haus regiert wie ein Kaiser

Weitere Auseinandersetzungen stehen beim Einwanderungsrecht bevor. Obama hat am Parlament vorbei entschieden, Millionen Einwanderern ohne Aufenthaltserlaubnis ein befristetes Bleiberecht zu gewähren. Kürzlich hat ein US-Berufungsgericht gegen dieses Vorgehen geurteilt. Etliche weitere Verfahren dazu stehen bevor, womöglich werden sie die Gerichte noch beschäftigen, wenn Obama 2017 das Weiße Haus schon verlassen haben wird. Und schließlich wird der Supreme Court im Juni ein womöglich historisches Urteil dazu fällen, ob alle US-Staaten die Homo-Ehe zulassen müssen. Obama hat sich seit Beginn der zweiten Amtszeit dafür eingesetzt, Homosexuellen gleiche Rechte zu gewähren. Auch dieser Teil seiner Agenda liegt nun in den Händen der Justiz.

Aus Sicht der Republikaner zeugen Obamas Probleme mit den Gerichten von einem größeren Übel. Sie werfen ihm vor, er halte sich beim Regieren nicht an die demokratischen Spielregeln, sondern herrsche wie ein Kaiser am Parlament vorbei. Dieser Vorwurf gilt nicht für das missglückte Gesetz zur Gesundheitsreform, denn in diesem Fall handelt es sich um ein Versehen des Parlaments. Wohl aber sehen es die Republikaner mit Argwohn, dass Obama bei Klimaschutz und Einwanderungsrecht das Parlament ignoriert. Der Präsident hat dies sogar zum Programm erklärt: Er werde nicht mehr auf die Republikaner im Kongress warten, die seine Gesetzesvorhaben ohnehin nur blockierten. Stattdessen werde er auf seine Vollmachten als Chef der Exekutive setzen. Die Gerichte urteilen also nicht nur über Umwelt- und Ausländerrecht, sondern auch über die Grenzen präsidialer Macht.

© SZ vom 10.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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