Nahost:Die USA sollten sich als Ordnungsmacht zurückmelden

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In der iranischen Hauptstadt Teheran haben bei einer Trauerzeremonie Hunderttausende Abschied von Soleimani genommen. (Foto: Bloomberg)

Kritik an der Rolle der USA im Nahen Osten ist oft genug berechtigt. Bei der Tötung General Soleimanis könnte die Sache anders liegen.

Kommentar von Tomas Avenarius

Überall im Nahen Osten igeln sich US-Diplomaten, Soldaten und Zivilisten ein. Mit der gezielten Tötung von General Qassim Soleimani, dem militärischen Strategen und Schattenmann der Islamischen Republik, hat Präsident Donald Trump den Iranern den Fehdehandschuh vor die Füße geworfen. In bekannter Manier hat er gedroht, dass er auf jede militärische Reaktion Teherans antworten würde, sogar mit Angriffen auf Kulturstätten Irans, was eindeutig ein Kriegsverbrechen wäre.

Teheran wiederum mag den USA nun drohen und sich noch weiter aus dem von Trump ohnehin zerschlagenen Atomabkommen zurückziehen. Aber das Regime hat auch kein Interesse daran, Ziel von US-Luftschlägen zu werden. Aus nacktem Überlebenswillen heraus dürfte das Land deswegen eine sofortige Konfrontation vermeiden, trotz gewaltiger Anteilnahme der Bevölkerung am Tod Soleimanis. Iran betreibt Politik langfristig. Für Teheran gehören Attentate zum politischen Besteck, Ziel und Zeitpunkt werden sich finden. Zugleich wird Iran an seiner Strategie der halb verdeckten Kriegsführung festhalten, im Irak, in Jemen, in Libanon und in Syrien - auch ohne Soleimani. Militär und Geheimdienste sind nirgendwo eine Ein-Mann-Show, sondern Apparate. Sie funktionieren meist auch ohne den angeblich unverzichtbaren Strategen. Wichtiger als Soleimanis Ende ist daher eine grundlegende Frage: Zeigt Washington der Islamischen Republik nun Grenzen auf?

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Seit der Revolution 1979 bemüht sich Iran um eine regionale Vormachtstellung. Anfangs aus der Verteidigungshaltung eines von allen Seiten bedrohten revolutionären Regimes heraus, später in Selbstüberschätzung und bis hin zum kaum verhohlenen Bemühen, Atomwaffen zu bauen. Die von Iran gegründete Hisbollah hat in Libanon das Sagen und hält die Armee der Atommacht Israel seit Jahren mit iranischen Raketen in Atem. Im Irak geht ohne Teherans Rückhalt nur noch wenig. In Syrien gewinnt Assad gerade seinen Bürgerkrieg, mit russischen Bomben und dank iranischer Milizen. Im Jemen verkämpft sich Saudi-Arabien gegen eine weitere Miliz, hinter der Teheran steht.

Die Bürger der Islamischen Republik darben zwar wegen Wirtschaftssanktionen, doch das Regime kommt voran auf dem Weg, regionales Schwergewicht zu werden. Eine Vormacht betreibt aber nicht nur Krieg, sie muss Frieden und Stabilität auch ohne Gewalt garantieren können. Die Mehrheit der Menschen im Nahen Osten sind allerdings Sunniten und Araber; die religiösen Gegensätze sind durch das Aufkommen des Fundamentalismus auf allen Seiten noch härter geworden. Eine nichtarabische Nation, die sich selbst als schiitisch-revolutionär darstellt, kann kaum Nummer eins sein. Eine Pax Irana ist unter diesem Regime nicht vorstellbar.

Die Islamische Republik betreibt also Politik in einer Gewichtsklasse, in die sie eigentlich weder politisch noch wirtschaftlich gehört. Geschweige denn militärisch - jedenfalls solange das Land keine Atomwaffen hat. Reformen von innen heraus sind auch nicht zu erwarten; in Teheran haben Hardliner das Sagen, die die jüngsten Proteste ihrer eigenen Bürger zusammengeschossen haben. Eher noch zerbricht dieses Regime an der wirtschaftlichen Lähmung, der allumfassenden Korruption und an der Unzufriedenheit vieler Iraner, allen voran der Jugend.

Kritik an der Rolle der USA im Nahen Osten ist oft genug berechtigt, zum Beispiel, weil sie 2003 in den Irak-Krieg gezogen sind oder den Umgang Israels mit den Anliegen der Palästinenser dulden. Bei der Tötung General Soleimanis könnte die Sache anders liegen: Im Idealfall melden die USA sich zurück als Ordnungsmacht. Denn in Nahost herrscht blankes Chaos. Die Konflikte in Syrien, Jemen und Libyen tragen bürgerkriegsähnliche Züge; Schwergewichte und Möchtegern-Mächte finanzieren Milizen oder greifen selbst ein - Iraner, Saudis, Ägypter, Türken. Rasche politische Lösungen sind unwahrscheinlich. Diese Staaten sind angesichts politischer, wirtschaftlicher, ethnischer oder religiöser Divergenzen tief verfeindet. Und auf Russland sollte in Nahost ohnehin nur setzen, wer den Einsatz der Luftwaffe schon für Politik hält. Mehr als Leid hat Moskaus neue Nahostpolitik den Syrern und Libyern nicht gebracht.

Problematisch am Tod des Schattenkriegers Soleimani ist weniger die Skrupellosigkeit des amerikanischen Vorgehens, sondern der Mann, der die neue Gangart verantwortet: Donald Trump. Auf ihn ist kein Verlass. Führt er gerade Wahlkampf? Oder hat er begriffen, dass die USA sich nicht einfach als Ordnungsmacht verabschieden können? Versteht er, dass Washington eine Nahoststrategie braucht? Zieht er dabei rote Linien, die zu überschreiten er niemandem erlaubt, auch nicht Iran? Mit dem Ende Soleimanis könnten sich die USA als Ordnungsmacht in Nahost zurückmelden. Die Frage ist, ob Trump und sein Land willens sind, diesen schwierigen Weg zu gehen. Besonders wahrscheinlich ist das nicht.

© SZ vom 07.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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