USA:Freispruch für den Freihandel

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Präsident Trump bekämpft Freihandelsabkommen, weil er sie für den Niedergang der US-Industrie verantwortlich macht. Doch das ist falsch. Fairer Freihandel ist für die ganze Menschheit ein Gewinn - und auch für die USA.

Von Claus Hulverscheidt

Wenn fast alle jubeln, wenn die Gewerkschaft Hurra schreit und der seit Wochen katzbuckelnde Ford-Chef den Rücken noch ein wenig krummer macht, kann man dann falsch liegen? Donald Trump hat den geplanten transpazifischen Handelsvertrag TPP über Bord geworfen, er will das nordamerikanische Pendant Nafta schleifen, im Ausland produzierende Firmen mit Strafzöllen belegen, das "ungerechte" Handelsdefizit beseitigen - und anders als die meisten Europäer, die noch immer fassungslos auf dieses neue Amerika blicken, sind viele US-Bürger einverstanden: Gut so, heißt es vielerorts.

Gut so? Glaubt man Trump, dann sind Verträge wie TPP und zu viel Nachsicht mit Ländern wie China schuld am Niedergang der US-Industrie. Das fühlt sich für viele Amerikaner logisch an, allein: Es ist nicht logisch. Vielmehr begann der stetige Bedeutungsverlust des verarbeitenden Gewerbes Mitte der 1950er-Jahre, lange vor Abschluss der großen Liberalisierungsrunden. Und betroffen sind auch nicht nur Länder wie die USA, die mehr importieren als exportieren: Im ausfuhrbegeisterten Deutschland sieht die Kurve genauso aus.

Trump zieht falsche Schlüsse aus dem Niedergang der US-Industrie

Das legt den Schluss nahe, dass andere Faktoren ausschlaggebend waren: die Automatisierung etwa, die Verschiebung der wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse nach dem Krieg, der gewünschte Aufholprozess in vielen ärmeren Ländern. Wenn es hier einen Fehler der US-Politik gegeben hat, dann den, dass sie den globalen Strukturwandel nie thematisierte, dass sie die wachsende Einkommensungleichheit ignorierte, ja noch förderte, und dass sie die nötige Qualifizierung betroffener Berufsgruppen für anspruchsvollere Jobs unterließ.

Trump kann oder mag diese Zusammenhänge nicht sehen, er ist ein Gefangener seines Managerblicks, in dem die Aufträge des einen die entgangenen Geschäfte des anderen, in der Verluste schlecht und Gewinne alles sind. Dass sein Land gegenüber vermeintlich mediokren Staaten wie Mexiko und China ein Defizit aufweist, muss ihm als Schmach erscheinen. Sie gilt es zu tilgen, indem man Mauern baut, Importzölle einführt und Jobs, die nie wieder profitabel sein werden, "nach Hause" holt.

Rein volkswirtschaftlich gesehen ist das Unsinn. Zwar würde es gewiss nicht schaden, wenn die USA mehr aus- als einführen und damit zugleich mehr sparen als investieren würden. Die Weltwirtschaft wächst nämlich dann besonders gedeihlich, wenn wohlhabende Staaten ihre überschüssigen Ersparnisse an aufholwillige, kapitalhungrige Nationen verleihen, damit diese damit Maschinen und Werkzeuge kaufen können. Das heißt aber umgekehrt nicht, dass ein Handelsdefizit per se schlimm oder gar ungerecht wäre. Denn ein großer Teil des Geldes, das die Amerikaner für Importe ausgeben, fließt in Form ausländischer Investitionen und Kapitalanlagen in die USA zurück. Allein seit 2010 hat sich der Wert dieser Auslandsanlagen auf acht Billionen Dollar verdreifacht. Betrachtet man es aus diesem Blickwinkel, ist ein Handelsdefizit kein Makel, sondern Ausdruck einer pulsierenden, hoch attraktiven Volkswirtschaft.

Das jedoch passt nicht zu Trumps Narrativ einer Nation im Niedergang, die einer, nämlich seiner, Rettung bedarf. Er spricht daher lieber von den "schrecklichen" Handelsverträgen seiner Vorgänger, deren Aufhebung Amerika Stolz und Größe zurückbringen werde. Restauration durch Revision - das kann in einem Land, dessen großer wirtschaftlicher Erfolg bisher maßgeblich auf offenen Grenzen und freiem Handel beruhte, nur schiefgehen. Freihandelsverträge mögen gut oder schlecht gemacht sein, darüber lässt sich etwa am Beispiel TPP trefflich streiten. Der Freihandel selbst aber ist, wenn er auf Fairness und hohen moralischen Standards gründet, ohne jeden Zweifel ein Gewinn - für die USA wie für den Rest der Menschheit.

© SZ vom 26.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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