USA:Der Präsident wiegelt ab

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Beten mit Maske: Kirchenbesucher in Los Angeles. (Foto: Mario Tama/AFP)

Trump sieht zwar kein hohes Risiko, ernennt aber seinen Vize zum Seuchenbeauftragen

Von Hubert Wetzel, Washington

Donald Trump war in Indien, als der US-Aktienmarkt Anfang der Woche wegen der Angst vor dem Coronavirus einzubrechen begann. Und weil der Präsident immer nervös wird, wenn der DowJones-Index schwächelt, griff er nach seiner Rückkehr zum Telefon und teilte am Mittwochmorgen per Twitter mit, dass es nur CNN, andere Fake-News-Verbreiter und die Demokraten seien, die Panik vor diesem "Caronavirus" schürten.

Der Dow fiel daraufhin noch etwas mehr. Am Mittwochabend gab Trump dann eine Pressekonferenz, in der er seinen Vizepräsidenten Mike Pence zum obersten Corona-Beauftragten der Regierung ernannte. Und er versicherte, dass keine allzu große Gefahr bestehe. "Das Risiko für die amerikanische Bevölkerung bleibt sehr gering", sagte Trump. "Wir haben die besten Experten der Welt." Die beruhigenden Worte waren nicht ganz uneigennützig: In den USA wird im Herbst gewählt, und eine ausgewachsene Corona-Epidemie ist das Letzte, was Trump gebrauchen kann. Trump sorge sich vor allem um "einen Hochrisikopatienten", diagnostizierte die Washington Post am Donnerstag - "sich selbst".

Das Problem ist, dass die von Trump gelobten Experten die Lage deutlich dramatischer sehen. Die zuständige Behörde, die Centers for Disease Control and Prevention (CDC), erwartet, dass die bisher sehr geringe Zahl von Infizierten in den USA steigt. "Wir rechnen mit mehr Fällen", sagte die CDC-Vizedirektorin Anne Schuchat bei der Pressekonferenz am Mittwoch und widersprach damit dem Präsidenten, der neben ihr stand. "Die Entwicklung in den nächsten Wochen und Monaten ist sehr ungewiss." Vor einigen Tagen hatten CDC-Vertreter gewarnt, dass die Amerikaner sich auf eine Epidemie einstellen sollten, die schwerwiegende Folgen für das Alltagsleben haben werde.

Während Trump und Schuchat im Weißen Haus sprachen, gaben die CDC zudem bekannt, dass in Kalifornien ein weiterer Infizierter entdeckt worden sei - zu diesem Zeitpunkt die 60. bekannte Infektion in den USA. Allerdings ist bei dem betroffenen Patienten unklar, wie er sich infiziert hat. Er war weder in einem Land, in dem das Virus sich bereits ausgebreitet hat, noch hatte er offenbar Kontakt zu anderen erfassten Infizierten. Das könnte darauf hindeuten, dass es in den USA inzwischen etliche unentdeckte Träger des Virus gibt.

Das wiederum wäre wenig verwunderlich: Es gibt in Amerika keine automatischen, großflächigen Tests bei Patienten, die mit grippeähnlichen Symptomen zum Arzt gehen. Viele Hausärzte verfügen bisher nicht einmal über einen solchen Test. Da in den USA keine allgemeine Krankenversicherung existiert, gehen viele Menschen, die Beschwerden wie Fieber oder Husten haben, auch gar nicht zum Arzt - sie wollen sich hohe Zuzahlungen sparen. In den Medien wurde von Fällen berichtet, in denen sich kranke Personen in einer Klinik auf das Coronavirus testen ließen, um sicherzugehen - und dann eine Rechnung über einen vierstelligen Betrag selbst bezahlen mussten. Hinzu kommt, dass viele Arbeitnehmer nur wenige oder gar keine bezahlten Krankheitstage haben. Viele Kranke gehen daher trotzdem zur Arbeit. All das macht es schwierig, das wahre Ausmaß der Verbreitung des Coronavirus in den USA zu erfassen.

Ähnlich beunruhigend ist, dass sich auch die Politik beim Thema Corona wieder in die bekannten Lager spaltet, die sich angiften - einerseits Trump-Gegner, die den Präsidenten als unfähig darstellen wollen, andererseits Trump-Unterstützer, die alle Gefahren kleinreden. Das ist keine gute Ausgangslage, um eine mögliche Epidemie zu bekämpfen.

© SZ vom 28.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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