USA:Das große Schweigen

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Auch in der Comey-Affäre verwirrt der Präsident mit immer neuen Varianten. Der Apparat in Washington ist schockstarr - und bemüht sich vor allem um Schadensbegrenzung.

Von Stefan Kornelius, Washington

Am Rande also dies: Der Präsident findet das neue elektromagnetische Katapultsystem für Flugzeugträger nicht gut. "Für mich klang das schlecht. Digital. Die machen auf digital. Was ist digital? Und es ist sehr kompliziert, man muss Albert Einstein sein, um das zu verstehen." Donald Trump ist nicht Albert Einstein, aber er ist der Präsident der USA, weshalb ein Kommentar aus seinem Mund zu einer speziellen Waffentechnologie wie ein Katapult wirken kann - zumindest bei der Marine und im Pentagon.

In Washington ist man gewohnt, in Kategorien der Bedrohung zu denken. Bedrohung durch den politischen Gegner, Bedrohung durch fremde Mächte, durch Terroristen. Doch jetzt sitzt die Bedrohung an jenem Schreibtisch, von dem aus sie gestoppt werden sollte. Donald Trump wird von einem großen Teil des politischen Apparats der Hauptstadt als Gefährdung betrachtet. Zu unberechenbar, impulsiv, widersprüchlich sind seine Einlassungen.

Washington ist im Verteidigungsmodus. "Wir spielen nur noch auf Abwehr", sagt ein Veteran der Obama-Regierung und spricht für Demokraten und Republikaner gleichermaßen. Eine Art nationale Koalition der Vernünftigen wächst heran, ein Sicherheitsring legt sich um den Präsidenten.

Am Mittwoch haben sie dem Präsidenten den inzwischen 93-jährigen Henry Kissinger zugeführt, quasi als Vorprogramm zum russischen Außenminister Sergej Lawrow. Die Bilder sollten Stabilität und Berechenbarkeit signalisieren. Außerdem sollte Kissinger der Letzte am Ohr des Präsidenten sein, ehe der Gast aus Moskau eintraf. Das Weiße Haus selbst hat später die Botschaft vermasselt, weil sie keine US-Presse zu Lawrows Auftritt zuließen und die Russen triumphierend ihre eigenen Bilder aus dem Oval Office in alle Welt schickten. Ein Medien-Desaster.

Donald Trump und der frühere Außenminister Henry Kissinger im Oval Office: Der 93-jährige Besucher sollte signalisieren, dass der Apparat Kontrolle über den zunehmend unberechenbaren Präsidenten ausübt. (Foto: Jim Watson/AFP)

Konferenzraum des Medien-Museums "Newseum" mit Blick auf das Kapitol, gleich gegenüber dem Justizministerium, das in diesen Tagen eine wichtige Rolle spielt. Die Münchner Sicherheitskonferenz hat hundert Politiker und ein paar Beobachter eingeladen. Sechs Minister sind aus Europa angereist, ein Regierungschef gar, jede Menge hochrangige Entscheider aus aller Welt - alle hungrig auf authentische Stimmen aus dem Trump-Lager.

Die allerdings sind rar: Nach wie vor sind nur wenige Posten in den Ministerien besetzt, die Terminlast ist unerträglich. Wer reden kann, sagt wenig bis nichts, aus Angst vor Widersprüchen oder zu frühen Festlegungen.

Es treten auf: Leute, die Struktur in diese Regierung bringen wollen, Kabinettsmitglieder oder Behördenchefs, Abgeordnete beider Parteien. Ihre Botschaft: Es gibt keine Botschaft, keinen Plan, keine neue Idee. Geheimdienstkoordinator Dan Coats, CIA-Chef Mike Pompeo, Heimatschutzminister John Kelly, die Senatoren Bob Corker (der ranghöchste republikanische Außenpolitiker) oder selbst John McCain, die öffentliche Nemesis Trumps: öffentlich wird geschwiegen. Trump könnte jedes Wort ad absurdum führen, wenn er eines seiner vielen Interviews gibt oder zum Fernsehschauen und Twittern in den Privaträumen verschwindet.

Der Fall Comey zeigt das besonders deutlich. Die Entlassung des FBI-Chefs am Dienstagabend zog Schleppwirbel nach sich, die anders als bei einem Flugzeug aber nicht schwächer, sondern immer stärker werden. Jetzt hat Trump Comey plump auf Twitter gedroht. "James Comey soll besser mal hoffen, dass es keine 'Bänder' von unseren Gesprächen gibt, ehe er Dinge an die Presse durchsticht." Will Trump damit sagen, dass er heimlich Gespräche aufzeichnet? Dass sein Verhältnis zu Comey auf einer Basis von wechselseitiger Erpressbarkeit beruht?

Wie Trump funktioniert, ist bekannt. Im Fall Comey aber verwickelt er sich immer tiefer in Widersprüche und unterschätzt, welchen Furor er bei Ermittlern und Abgeordneten entfacht. Hatte Trump zunächst noch den stellvertretenden Justizminister Rod Rosenstein zur Begründung vorgeschickt (öffentlicher Umgang in der Clinton-Ermittlung), so gibt es inzwischen neue Varianten und Zusatzinformationen, die sich widersprechen. Um Clinton geht es jedenfalls nicht mehr. Der Präsident behauptet nun, Comey sei ihm schon immer suspekt gewesen, "ein Angeber, ein Effekthascher".

Bekannt ist inzwischen auch, dass Trump den FBI-Chef gleich drei Mal zu einem persönlichen Gespräch empfangen hat, das erste bereits eine Woche nach der Amtseinführung. Dabei verlangte er nach Medienberichten aus dem Comey-Umfeld einen Treueschwur. Der FBI-Chef lehnte ab. Jedes Mal versicherte sich Trump, dass nicht gegen ihn selbst ermittelt werde. Einmal bat er den Polizeichef gar um Information, sollte gegen ihn ermittelt werden, was nicht nur spitzfindige Juristen als Eingriff in die Ermittlungsarbeit bewerten könnten.

Hochrangige Mitarbeiter bis hin zum Vizepräsidenten wurden durch die Widersprüchlichkeit Trumps vorgeführt. Im Kongress haben sie die Beschlagnahme neuer Akten beschlossen. Der kommissarische FBI-Chef nutzte seinen ersten Auftritt vor den Abgeordneten, um dem Präsidenten zu widersprechen: Nein, anders als Trump behaupte, stehe die Behörde voll und ganz hinter ihrem ehemaligen Chef. Kommende Woche wird der Vize-Justizminister im Kongress vernommen. Auch er kommt sich in der Affäre benutzt vor. Wer die Finger in Washington im Wind hat, spürt: Der Schutzring um das Weiße Haus wird brüchig. Die Beamten suchen Deckung im Schatten des Kongresses.

Senator John McCain, der wegen seiner Beharrlichkeit fast schon verlachte Erzfeind von Trump, ist lange genug dabei, um vor den Emissären aus Europa an Watergate erinnern zu können: "Das ist ein Tausendfüßler. Ich garantiere Ihnen, da werden noch ein paar Schuhe fallen."

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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