US-Wahlkampf:Willkommen in der Schlammschlacht

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Wenn es um Beleidigungen im US-Wahlkampf geht, hat der Republikaner McCain derzeit die Nase vorn. Auch seine Anhänger stimmen ein.

Verena Wolff

Senator John McCain aus Arizona war einst mit der Ankündigung in den Wahlkampf um die US-Präsidentschaft gezogen, keine Schlammschlacht auf dem Weg ins Weiße Haus anzetteln zu wollen. Doch inzwischen entgleist das Rennen um das wichtigste Amt der Vereinigten Staaten mehr und mehr.

Die Attacken im US-Wahlkampf werden schärfer - vor allem aus dem Lager der Republikaner. (Foto: Foto: AFP)

Denn Barack Obama, der demokratische Kandidat aus Illinois, kann mit seiner Art Wahlkampf zu machen, offenbar mehr überzeugen als sein Gegner. Er legt seit Tagen in den Umfragen zu - teils zweistellig, in den Schlüsselstaaten und im ganzen Land. Nicht nur, dass McCain und seine Vizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin offenbar ihre Felle davonschwimmen sehen. Jetzt haben sie es auch noch mit Anhängern zu tun, die mit einer bislang noch selten ausgepackten Emotion reagieren: mit Zorn.

In Minnesota etwa wettert eine Republikanerin, sie traue Obama nicht. "Ich habe über ihn gelesen, dass er Araber ist." Kopfschütteln von McCain. "Nein, nein", sagt er. "Obama ist ein anständiger Mann, ein Bürger, mit dem ich nur nicht die gleichen Ansichten in fundamental wichtigen Belangen teile. Darum stehen wir uns im Wahlkampf gegenüber."

Buh-Rufe für den 72-Jährigen

Ein anderer Anhänger McCains sagt, er habe Angst vor einer Obama-Präsidentschaft. Der Republikaner antwortet, er brauche sich nicht zu fürchten. "Ich will Präsident der Vereinigten Staaten werden und ich will nicht, dass es Obama wird. Aber ich muss Ihnen sagen, er ist ein anständiger Mensch, vor dem man sich nicht fürchten muss, auch wenn er Präsident wird."

Doch die Beschwichtigungsversuche des Präsidentschaftskandidaten kommen bei den Menschen nicht wirklich gut an. Vielmehr buhen sie den 72 Jahre alten Kriegsveteranen aus.

Die Wahlveranstaltung ist nicht die erste, bei der sich vermeintliche McCain-Anhänger im Ton vergriffen haben. In New Mexico ruft einer der McCain-Anhänger aus dem Publikum auf die Frage des Senators, wer der wahre Obama sei: "Ein Terrorist." McCains Reaktion? Schweigen.

Provokative Zitate, die sich auf den ersten Blick vielleicht noch als unterhaltsame Wahlkampfsplitter vermarkten lassen, können sich auf den zweiten Blick durchaus negativ auswirken. David Gergen, früherer Berater sowohl demokratischer als auch republikanischer Präsidenten sieht laut Nachrichtensender CNN sogar Gefahr im Verzug: "Der negative Ton kann wie Brandstiftung wirken und könnte zu Gewaltausbrüchen führen." Es sei darum äußerst wichtig, dass die Kandidaten dafür sorgen, die Menschen zu beruhigen.

Ein Ratschlag, von dem Palin offenbar wenig hält. Ebenso wie die Wähler greift auch sie tief in die Kiste scharfer Rhetorik und scheint die Mengen damit nur noch mehr anzuheizen. Amerikanische Reporter nehmen zur Beschreibung der Atmosphäre immer wieder Anleihen aus der Zeit der Rassenunruhen im Süden der USA - wie bei den damaligen "Lynchmobs" sei die Stimmung gewesen, schreibt etwa die Zeitung Dallas Morning News.

"Die Zeiten sind zu ernst"

Und wie reagiert der Attackierte auf die Schmähungen aus dem Lager der Republikaner? Barack Obama reagiert, wie er es in den vergangenen Wochen immer getan hatte - besonnen und fast schon staatsmännisch. Es sei einfach, eine Menge anzustacheln und mit irreführenden Werbespots an der Nase herumzuführen, sagte er. "Aber das brauchen wir im Moment nicht. Dazu sind die Zeiten zu ernst."

Und erst vor wenigen Tagen sagte er, "die Flut dieser fiesen Andeutungen und Attacken" sei eine Folge der fehlenden Ideen McCains, auf die wirtschaftliche Krise zu reagieren. Die nämlich ist auch nach den Einschätzungen von Beobachtern das Problem, das Obama in neuesten Umfragen deutlich nach vorn katapultiert hat.

In einigen Erhebungen führt der Demokrat inzwischen mit 52 zu 41 Prozent gegenüber seinem Kontrahenten, mehr als fünf Prozentpunkte Vorsprung bescheinigt ihm nahezu jede Umfrage.

Doch McCain hält es im Umgangston mit seinen Anhängern. Erst vor ein paar Tagen hatte das Team des Senators aus Arizona eine Reihe von Anzeigen geschaltet, die es auf den Charakter und das Urteilsvermögen Obamas abgesehen haben. Da brachten die Republikaner etwa Obamas flüchtige Bekanntschaft mit Bill Ayers zur Sprache. Der war in den sechziger Jahren Mitglied der radikalen Antikriegsbewegung "Weather Underground", die für mehrere Bombenanschläge verantwortlich war.

Auch auf ihren Veranstaltungen lassen sich die republikanischen Kandidaten in der Beziehung nicht lumpen: Obama "treibt sich mit Terroristen herum, die ihr eigenes Land angreifen", rief etwa Sarah Palin in Colorado. Die einzige Krux dabei: Obama war ein kleiner Junge, als Ayers im Untergrund war. Heute ist Ayers Universitätsprofessor, getroffen haben sich er und Obama erstmals 1995 bei der Arbeit in einer sozialen Gruppe.

Doch die Attacken auf Obama kommen im Lager der Republikaner nicht bei allen gut an. William Milliken, früherer republikanischer Gouverneur von Michigan, etwa sagt der Zeitung Grand Rapids Press, er sei enttäuscht, dass McCain auf diese Art und Weise Wahlkampf führe. Das sei nicht der McCain, für den er sich ausgesprochen habe. Der Abgeordnete Ray LaHood aus Illinois kritisiert Sarah Palin: Die Anstachelungen "gehören sich nicht für das Amt, um das sie sich bewirbt".

Kein Wunder also, dass im McCain-Lager eine Debatte darüber geführt wird, wie negativ die Kampagne noch werden soll - das berichten jedenfalls amerikanische Medien. Chefstratege Steve Schmidt und seine Leute fordern demnach aggressive Methoden und halten aufgebrachte Massen dabei für legitim. Immer wieder ist zu hören, dass das sogenannte negative campagning, die Verunglimpfung des Gegners, beste Tradition in Amerika hat - ja sich sogar bis zu den Gründervätern zurückverfolgen lässt.

Zu welchem Lager sich McCain derzeit mehr hingezogen fühlt, ist nicht klar. Immerhin hat er für das TV-Duell mit Obama bereits angekündigt, die Peitsche auszupacken. Eine Rhetorik, die jedenfalls nicht zu dem Anspruch passt, keine Schlammschlacht zu führen.

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