US-Präsidentschaft:Beweise, die den Namen nicht verdienen

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Auch drei Wochen nach der Wahl erkennt US-Präsident Donald Trump seine Niederlage nicht an. Ein Gericht nach dem anderen weist seine Klagen ab, doch der Republikaner lässt sich in seiner Strategie nicht beirren.

Von Hubert Wetzel, Washington

Richter Matthew Brann ist ein ernsthafter Mensch, und er erwartet, dass Leute, die in seinem Gerichtssaal auftreten, sich ernsthaft verhalten. Wenn also, so schrieb Richter Bann am Samstag in einem Urteil, die Anwälte von Präsident Donald Trump wirklich von ihm verlangten, die Präsidentschaftswahl in Pennsylvania für ungültig zu erklären - und damit die Stimmen von fast sieben Millionen Wählern zu entwerten -, dann "sollte man denken, die Kläger rückten gut bewaffnet mit überzeugenden rechtlichen Argumenten und handfesten Beweisen an".

Aber, so stellte Richter Brann fest, "das ist nicht passiert". Stattdessen hätten Trumps Vertreter lediglich "an den Haaren herbeigezogene Argumente und spekulative Vorwürfe" vorgebracht. Der Antrag auf Annullierung des Wahlergebnisses sei damit abgelehnt, urteilte Richter Brann.

Das ist inzwischen ein bekanntes Muster: Die Rechtsvertreter von Trump oder der Republikanischen Partei reichen in den Bundesstaaten, in denen das Wahlergebnis halbwegs knapp war, Klagen ein. Sie behaupten in Pressekonferenzen, unbestreitbare Belege für allerlei Betrügereien und Unregelmäßigkeiten zu haben, durch die dem Demokraten Joe Biden eine große Menge an Stimmen zugeschanzt worden seien. Vor Gericht fordern sie dann, dass das Wahlergebnis deswegen nicht "zertifiziert", also nicht für amtlich erklärt werden dürfe.

Der Plan hinter dieser Strategie: Wenn die Wahlergebnisse nicht amtlich sind, Bidens Sieg also nicht offiziell festgestellt ist, könnten vielleicht die Parlamente der Bundesstaaten die Wahlmänner und -frauen bestimmen, die im Dezember den Präsidenten formell wählen. Da in einigen umstrittenen Staaten die Republikaner diese Parlamente beherrschen, hofft Trump, auf diese Weise seine Niederlage noch umdrehen zu können. Ob die Parlamente dieses vermeintliche Recht, die Vertreter ihres Bundesstaats im Electoral College auszuwählen, überhaupt haben, ist unter Juristen zwar umstritten. Trotzdem verfolgt Trump diesen Weg auch fast drei Wochen nach der verlorenen Wahl weiterhin unbeirrt.

Trumps Problem dabei ist, dass die "Beweise", die seine Anwälte für den angeblich so gigantischen Stimmendiebstahl vorlegen, diese Bezeichnung nicht verdienen. Kein einziger Betrugsvorwurf, den Trumps Verbündete öffentlich erhoben haben, wurde bisher gerichtsfest untermauert. Trumps Team von Anwälten, das von Rudy Giuliani geleitet wird, dem persönlichen Rechtsvertreter des Präsidenten und ehemaligen New Yorker Bürgermeister, sei eine "nationale Peinlichkeit", sagte am Sonntag Chris Christie, der frühere republikanische Gouverneuer von New Jersey und einstige Vertraute Trumps.

Und weil es keine nennenswerten Beweise für Wahlbetrug gibt, sondern nur Behauptungen, haben Richter von Arizona über Michigan bis Pennsylvania die Klagen des Trump-Lagers abgewiesen. Das Urteil in Pennsylvania war für Trump besonders schmerzhaft: Der Bundesstaat, den Biden mit mehr als 80 000 Stimmen Vorsprung gewonnen hat, hat 20 Stimmen im Electoral College. Wenn Trump dort seine Niederlage nicht erfolgreich anfechten kann und Bidens Sieg amtlich wird, ist der bizarre Kampf des abgewählten Präsidenten gegen eben diese Abwahl praktisch am Ende.

Trumps Anwälte haben daher Berufung gegen Branns Urteil eingelegt. Sie wollen den Fall möglichst schnell vor das US-Verfassungsgericht bringen. Vom Supreme Court erhoffen sie sich mehr Sympathie - sechs der neun Richterinnen und Richter dort zählen zum konservativen Flügel des Gerichts. Allerdings ist auch der Bundesbezirksrichter Matthew Brann ein Konservativer und ein Republikaner. Trotzdem hat er Trumps Klage abgewiesen. Pat Toomey, der republikanische US-Senator aus Pennsylvania, nahm Branns Urteil zum Anlass, um sich von Trump zu distanzieren - einer der wenigen republikanischen Parlamentarier, die das bisher getan haben. Biden habe gewonnen, Trump solle das endlich anerkennen, twitterte Toomey.

Auch in zwei anderen Bundesstaaten erlitten Trumps Bemühungen, Biden den Wahlsieg wegzunehmen, Rückschläge. In Georgia erklärten der Innenminister und der Gouverneur, beide Republikaner und Trump-Unterstützer, das Wahlergebnis am Freitag für amtlich. Biden hat dort mit 12 000 Stimmen Vorsprung gewonnen, Georgias 16 Stimmen im Electoral College gehören damit ihm. Trumps Wahlkampfteam hat eine zweite Nachzählung der Stimmzettel beantragt, die aber - wie schon die erste - das Ergebnis kaum verändern dürfte.

In Michigan soll das zuständige Gremium an diesem Montag über die Zertifizierung von Bidens Wahlsieg abstimmen. Trump hatte die republikanischen Parlamentsspitzen am Freitag bei einem Treffen im Weißen Haus dazu gedrängt, Bidens Vorsprung von mehr als 150 000 Stimmen zu ignorieren und stattdessen ihm, dem Wahlverlierer, die 16 Elektorenstimmen des Bundesstaates zuzuschlagen. Die Bereitschaft der Lokalpolitiker, dem Präsidenten bei diesem Umsturzversuch zu helfen, hielt sich aber in Grenzen. Michigan werde sich an Recht und Gesetz halten, schrieben die Parlamentarier nach dem Treffen in einer Erklärung.

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