Untreue-Verdacht in Thüringen:Lieberknecht erklärt ihren "Neuaufstellungsbedarf"

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Lieberknecht und ihr neuer Sprecher Hahn auf dem Weg zur Pressekonferenz. (Foto: dpa)

Thüringens Ministerpräsidentin Lieberknecht versucht, den Ärger um ihren ehemaligen Regierungssprecher zu erklären. Den Enddreißiger hatte sie in den einstweiligen Ruhestand versetzt, weil der Beamte kein Mann für den Maschinenraum sei. Die Opposition ist empört, auch der Koalitionspartner SPD klagt.

Von Cornelius Pollmer, Erfurt

Als Christine Lieberknecht am Dienstagmittag etwas steifbeinig den Bürgersaal der Erfurter Staatskanzlei betritt, da schaut sie, als sehe sie gerade ein heftiges Unwetter heranziehen. "Oh, das gewittert hier ja", sagt Lieberknecht und sieht da noch gar nicht die zweite Unwetterfront gleich hinter den Fotografen. Sieben Kameras sind an der Stelle aufgebaut, wo sonst in aller Regel nur eine die Pressekonferenzen der Landesregierung beobachtet.

Der Grund für diese große Aufmerksamkeit sind die Umstände, unter denen der ehemalige Staatssekretär und Regierungssprecher Peter Zimmermann in diesem Sommer aus seinem Amt geschieden ist.

Der Sachverhalt in Kürze: Die Christdemokratin Lieberknecht hatte den nun 38-jährigen Sprecher zunächst in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Zimmermann hätte mit diesem Status üppige Versorgungsansprüche erworben, obwohl er im Herbst eine vermutlich ordentlich bezahlte neue Aufgabe übernimmt - die Geschäftsführung des Leipziger Medienunternehmens Unister. Es gab Streit, Zimmermann ließ sich pro forma aus dem Ruhestand holen und kündigte. Es gab Ärger, weil sich Lieberknecht zu der Sache nicht erklärte - die Grünen stellten Strafanzeige wegen des Verdachts der Untreue.

Die Staatsanwaltschaft Erfurt hat gerade erst die Aufhebung von Lieberknechts Immunität beantragt, um ein Vorprüfverfahren einleiten zu können. Es gab weiterhin Streit, weil sich Lieberknecht auch nicht erklärte, nachdem ein interner Vermerk aus der Staatskanzlei vom Juni aufgetaucht war, in dem ihr von einer Versetzung Zimmermanns in den einstweiligen Ruhestand deutlich abgeraten worden war.

Etwa eineinhalb Stunden diskutierte das Kabinett in seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause am Dienstag allein die Causa Zimmermann. Lieberknecht erklärt sich nun also, nach der Sitzung auch in der Öffentlichkeit. Sie sagt, sie habe Zimmermann bereits Ende 2012 informiert, dass sie seine Stelle neu besetzen wolle. Zimmermann habe zwar viel für das Image des Landes und auch ihrer Person getan, nun aber wolle sie eine stärkere politische Profilierung der Staatskanzlei erreichen - und da habe es eben einen "Neuaufstellungsbedarf" gegeben. Denn Zimmermann sei kein Mann für den Maschinenraum, und rechtlich habe sie keine andere Möglichkeit gesehen, als den politischen Beamten in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Eine Entlassung wäre nur möglich gewesen, wenn die Initiative dazu von Zimmermann gekommen wäre. Aber sie kam nicht - "aus seiner Sicht auch berechtigterweise. Es gab eine Initialzündung und die ging von mir aus."

Lieberknecht sagt, sie sei von der Rechtmäßigkeit ihres Handelns überzeugt, die Modalitäten der Versetzung Zimmermanns habe sie über "Eigenlektüre" und über die Anforderung eines weiteren Vermerks geprüft. Einen Fehler will sie lediglich darin erkennen, die Dynamik der Diskussion "etwas unterschätzt" zu haben. Doch zumindest die Sitzung des Kabinetts sei nun "wohlwollend und freundschaftlich" verlaufen.

Matthias Machnig wiederum sagt, die Debatte sei "hart in der Sache und kritisch geführt worden. Das war längst überfällig. Damit nicht der Eindruck entsteht, dass es da jetzt die große Fraternisierung gegeben hätte." Er habe sich zuvor von Lieberknecht arglistig getäuscht gefühlt, sagt der SPD-Wirtschaftsminister von Thüringen, es sei "höchste Zeit gewesen, dass sie alle relevanten Unterlagen auf den Tisch legt". Dennoch sei Vertrauen in der Koalition verspielt worden.

Bodo Ramelow, Fraktionsvorsitzender der Linken im Thüringer Landtag, hält "dieses Sommertheater" für den Ausweis einer "katastrophalen Regierungspolitik". Erst stimme man gemeinsam am Kabinettstisch der Versetzung Zimmermanns zu, "und dann kloppt man sich öffentlich. Das ruiniert das Ansehen der Politik und das Ansehen Thüringens." Ramelow fände es sachgerechter, "wenn diese Landesregierung den Weg freimacht für Neuwahlen. Da sitzen ja wirklich nur noch Wahlkampfstrategen am Kabinettstisch." Auch die Erklärung Lieberknechts zum Procedere im Fall Zimmermann überzeuge ihn nicht. Lieberknecht müsse nun "gegenüber der Staatsanwaltschaft selbst den Hauch eines Anscheins der Untreue ausräumen", sagt Ramelow.

© SZ vom 21.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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