Unterstützung von Aufständischen in Syrien:EU entscheidet über Aufhebung von Waffenembargo

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Waffen für Aufständische? London sagt "ja", die anderen EU-Staaten zögern. (Foto: REUTERS)

Die Zeit ist knapp: Bis Ende des Monats muss sich die EU auf neue Sanktionen gegen den syrischen Machthaber Assad einigen. Doch während London Waffen an Aufständische liefern will, zögern die anderen EU-Staaten.

Martin Winter, Brüssel

Die Europäische Union muss sich beeilen, wenn sie den Druck auf den syrischen Machthaber Baschar al-Assad aufrecht erhalten will. Einigt sie sich nicht bis zum Ende des Monats darauf, die Sanktionen samt eines umfassenden Waffenembargos zu erneuern, dann laufen die Zwangsmaßnahmen am 1. März turnusgemäß aus. Denn alle Sanktionen der EU sind zeitlich befristet.

Angesichts der Lage in Syrien sollte die Erneuerung kein Problem sein. Doch um das Waffenembargo gibt es inzwischen Streit. Der ist so grundlegend, dass die europäischen Außenminister am kommenden Montag in einer - wie es heißt - "ergebnisoffenen Diskussion" versuchen wollen, ihn beizulegen. Nur dann kann die für Sanktionen erforderliche Einstimmigkeit zustande kommen.

Dabei geht es darum, ob die EU den Aufständischen in Syrien nicht nur wie bislang politisch und humanitär, sondern zukünftig auch mit Waffen helfen soll. Während eine Mehrheit in dieser Frage nach Auskunft eines Diplomaten "erheblich zögert", dringt Großbritannien darauf, die Aufständischen mit militärischen Material zu versorgen. London verlangt deshalb, das bislang vollständige Waffenembargo für die Aufständischen aufzuheben, die zur oppositionellen Nationalen Koalition in Syrien zählen.

Die Gegner dieser Position, die sich auch in der deutschen Diplomatie finden, wenden dagegen ein, dass noch mehr Waffen in Syrien den Krieg nur verlängern würden. Außerdem bestehe die Gefahr, dass das militärische Material in die Hände von Al-Qaida-Kämpfern geraten könnte.

Einen ähnlichen Vorstoß, wie ihn die Briten nun unternehmen, hatte es jüngst in Washington gegeben. US-Präsident Barack Obama aber stoppte die Initiative aus dem Pentagon und dem Außenministerium, angeblich weil er die Gefahr für zu groß hielt, dass die Waffen in die falschen Hände geraten könnten. Dass London dennoch für eine Lockerung des Embargos eintritt, begründet ein hoher britischer Diplomat damit, dass "man die Opposition unterstützen" und sie in die Lage versetzen müsse, "besser für den Schutz der Zivilisten zu sorgen". Diese würden zunehmend Opfer von Angriffen der syrischen Armee.

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Nachdem es vor dem Treffen der Außenminister nicht gelungen war, sich auf eine einheitliche Position zu einigen, liegt den Chefdiplomaten am Montag ein streng vertrauliches Papier der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton vor.

Darin werden nach Informationen der Süddeutschen Zeitung im Wesentlichen drei Optionen durchgespielt. Erstens: Die Sanktionen werden so verlängert, wie sie sind. Zweitens: Die wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen gegen Damaskus bleiben, das Waffenembargo wird für die Aufständischen dagegen für bestimmte Kategorien von militärischer Ausrüstung aufgehoben. Drittens: Die wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen bleiben, das Waffenembargo aber wird für jene Kräfte komplett aufgehoben, die zur syrischen Nationalen Koalition gehören.

Großbritannien vertritt diese dritte und radikalste Position, vor allem mit dem Argument, dass sich die Lage in Syrien "so dynamisch entwickelt". Eine im Einzelnen festgelegte Materialliste werde dieser raschen Entwicklung nicht gerecht, weil sie schon morgen überholt sein könne, sagt ein britischer Diplomat. Er räumt allerdings ein, dass London damit weitgehend alleine steht.

Denn auch Frankreich, das in den vergangenen Monaten Sympathien für den britischen Kurs gezeigt hatte, trat am Freitag deutlich vorsichtiger auf. In Paris wird eher darüber nachgedacht, den Aufständischen enge Ausnahmen vom Waffenembargo für genau definierte militärische Güter einzuräumen. Dabei ist überwiegend die Rede von "nichttödlichem" Material, worunter zum Beispiel Splitterschutzwesten, Nachtsichtgeräte oder Sprechfunkgeräte und sonstige Kommunikationsausrüstung fallen würden. In diplomatischen Kreisen wird dies als ein möglicher Kompromiss gesehen, dem sich auch Deutschland anschließen könnte, das sich bislang bedeckt hält.

Der britische Außenminister William Hague wird seine Kollegen zwar am Montag mit dem Argument zu überzeugen versuchen, dass eine Einschränkung des Waffenembargos nicht automatisch zu Waffenlieferungen führe. Schließlich gebe es klare europäische und nationale Vorschriften für die Ausfuhr von Waffen in Krisengebiete, die den Export in die umkämpften Gebiete in Syrien doch stark einschränkten. Aber mit seiner Linie wird er sich nach Einschätzung von Diplomaten nicht durchsetzen. Denn London, heißt es, dürfte kaum zur Waffe eines Vetos greifen. Auch Großbritannien sei nicht daran interessiert, eine Erneuerung der Sanktionen zu gefährden und die EU damit international zu blamieren.

© SZ vom 16.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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