Unruhen in Iran:Tag der Trauer in Teheran

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Die Opposition gedenkt in Iran mit einem Trauerzug getöteter Demonstranten. Ines hört der Wächterrat unterlegene Präsidentschaftskandidaten an.

Tomas Avenarius

Mit einem Trauermarsch durch Teheran hat die iranische Opposition den Druck auf das Regime weiter gesteigert. Der Umzug mit Hunderttausenden Teilnehmern fand zu Ehren der mindestens sieben Menschen statt, die bei den Massenprotesten gegen den angeblichen Wahlerfolg von Präsident Mahmud Ahmadinedschad ums Leben gekommen waren. Der bei der Wahl offiziell unterlegene Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi, der das Wahlergebnis anzweifelt, wollte an der Demonstration rund um den zentralen Imam-Chomeini-Platz teilnehmen.

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Der Marsch war die vierte Massenkundgebung seit Verkündigung der Wahlergebnisse am vergangenen Samstag. Der Geistliche Führer Ayatollah Ali Chamenei hatte die Oppositionsanhänger zuvor vergeblich aufgefordert, sich hinter der Islamischen Republik zu vereinigen. Unterdessen nahm das Regime einen weiteren bekannten Oppositionspolitiker in Haft. Der frühere Außenminister Ibrahim Jasdi sei in einem Krankenhaus festgenommen worden, hieß es.

Schwierige Berichterstattung

Seit Irans Führung eine De-Facto-Zensur über die inländischen und ausländischen Medien verhängt hat, wird die Berichterstattung lückenhafter. So gibt es keine verlässlichen Zahlen, wie viele Menschen an der Demonstration am Donnerstag teilnahmen. Die Angaben bewegen sich zwischen Zehn- und Hunderttausenden. Grundlage für Schätzungen sind oft Amateurvideos der Proteste, die internationalen Fernsehstationen zugespielt werden. Die Sender dürfen bei Demonstrationen nicht mehr vor Ort drehen, Korrespondenten ihre Büros kaum noch verlassen. Die Regierung beschuldigt die ausländischen Medien und die USA, die Unruhen gezielt anzuheizen.

Die offene Konfrontation zwischen dem Regime und der Opposition setzt sich mit den jüngsten Demonstrationen fort. Mussawi hatte seine Anhänger aufgefordert, schwarze Kleidung zum Gedenken an die Todesopfer zu tragen.

Der geistliche Führer Ali Chamenei selbst hat sich bisher nicht grundsätzlich geäußert. Er wird aber beim Freitagsgebet predigen. Die Teheraner Freitagspredigt ist Stimmungsbarometer der iranischen Politik und Bühne für die Kursbestimmung des Regimes. Chamenei dürfte sich zumindest indirekt zu den Wahlen äußern. Er ist zwar der mächtigste Mann der iranischen Politik, muss sich aber dennoch stets um eine Machtbalance zwischen den Interessengruppen bemühen. Durch die Proteste gerät er nun selbst ins Zentrum der politischen Auseinandersetzung zwischen dem radikalen Präsidenten Ahmadinedschad und der reformorientierten Opposition.

Erinnerungen an Schah-Zeiten

Die Massenproteste, an denen sich laut TV-Berichten zunehmend die breite Bevölkerung und einzelne schiitische Kleriker beteiligen, erinnern an die Zeiten der Revolution gegen den Schah. Damals brachte die Opposition Millionen gegen die Monarchie auf die Straße. Allerdings organisiert sich auch das Regime: Die Bassidisch-Miliz hat damit begonnen, die Anhänger Ahmadinedschads zu mobilisieren. Diese sollten in möglichst großer Zahl zum Freitagsgebet kommen. Die Volksmiliz fordert zudem, dass die Oppositionsführer sich von den "Aufständischen" distanzieren.

Der Wächterrat gab inzwischen bekannt, dass er die drei bei der Wahl offiziell geschlagenen Kandidaten am Samstag anhören wird. Der Wächterrat ist als Verfassungsorgan für Wahlen zuständig. Nach den ersten Protesten gegen das Wahlergebnis hatte das einflussreiche Gremium sich bereiterklärt, einen Teil der abgegebenen Stimmen neu auszuzählen. Dies betreffe aber nur Wahllokale, in denen es laut Beschwerden der offiziell unterlegenen Kandidaten zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei. Der Rat weigert sich bisher, eine komplette Neuauszählung oder gar eine Wiederholung der Wahl anzuordnen. Die Opposition fordert Neuwahlen. Sie behauptet, in mindestens 646 Fällen Unstimmigkeiten nachweisen zu können. Diese werden vom Wächterrat geprüft.

Der Expertenrat, ein weiteres wichtiges Gremium, begrüßte die hohe Wahlbeteiligung. Der Rat, als Verfassungsorgan für Ernennung und politische Kontrolle des Obersten Geistlichen Führers der Islamischen Republik zuständig, äußerte sich nicht zum Wahlausgang selbst. Der Rat wird von Ali Akbar Haschemi Rafsandschani geführt, einem der mächtigsten Gegner Ahmadinedschads in der politisch-religiösen Führung. Rafsandschani, selbst ein Ex-Präsident, unterstützt hinter den Kulissen Mussawi.

© SZ vom 19.6.2009/vw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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