Ungarn:Bimmelbahn ins Nirgendwo

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Eine EU-Delegation kritisiert, Ungarn verschwende europäisches Geld. Budapest weist das zurück.

Von Peter Münch, Wien

Zum chronisch angespannten Verhältnis zwischen der Europäischen Union und dem Mitgliedstaat Ungarn könnte nun auch noch ein Streit ums Geld kommen. Auslöser dafür ist eine Reise des Haushaltskontrollausschusses des EU-Parlaments, der in Ungarn einem möglichen Missbrauch von EU-Mitteln nachgespürt hat. "Die milliardenschweren EU-Förderungen sind in Ungarn nicht in den besten Händen", bilanzierte die zur Delegation zählende österreichische EU-Parlamentsabgeordnete Claudia Schmidt. "Bei einigen der besichtigten Projekte konnte der Verdacht von regelwidrigen Ausschreibungen und Misswirtschaft mit EU-Geldern leider nicht entkräftet werden."

Die von der deutschen Ausschussvorsitzenden Ingeborg Gräßle geleitete Reise der EU-Parlamentarier hatte schon vorab für reichlich Missstimmung zwischen Budapest und Brüssel gesorgt. Ein Grund dafür war der auf dem Programm stehende Besuch in Felcsút, dem Heimatort von Premierminister Viktor Orbán. Die 1800-Seelen-Gemeinde erfreut sich in den letzten Jahren erstaunlicher öffentlicher Förderung. So wurde dort neben einer Fußball-Arena und einer nationalen Nachwuchs-Akademie für Fußballer auch eine 5,7 Kilometer lange Schmalspur-Bahn in Betrieb genommen, bei der die EU zwei Drittel der Gesamtkosten von drei Millionen Euro übernahm. Der Nostalgiezug ins Nirgendwo wurde als Touristenattraktion angepriesen und in den Planungen auf bis zu 7000 Fahrgäste am Tag ausgelegt. Seit Inbetriebnahme im April 2016 wurden jedoch insgesamt weniger als 50 000 Benutzer gezählt.

Budapest weist die Vorwürfe als Einmischung in den Wahlkampf zurück

Die diversen Projekte in der 40 Kilometer von Budapest entfernt liegenden Heimatgemeinde des Regierungschefs werden von zahlreichen Berichten über Korruption und Günstlingswirtschaft begleitet. Profitieren sollen davon enge Vertraute und auch die Familie Orbans. Als der EU-Ausschuss nun ankündigte, sich selbst ein Bild zu machen, reagierte die Regierung in Budapest mit heftigem Protest. Die Reise sei "stark politisch motiviert" und eine "signifikante Einmischung in den ungarischen Wahlkampf", beschwerte sich etwa János Lázár, Leiter der Budapester Staatskanzlei, in einem Schreiben an die Ausschussvorsitzende Gräßle. Die Abgeordnete der Europäischen Volkspartei wies die Vorwürfe zurück - und das nicht nur, weil in Ungarn erst im nächsten Frühjahr gewählt wird. Der Ausschuss werde "politisch neutral sein, so wie immer", antwortete sie.

Vor der Presse in Budapest vermied Gräßle am Mittwoch zum Abschluss der dreitägigen Delegationsreise allerdings jede direkte Kritik an der Budapester Regierung und lobte Ungarn als "modernes" und "erfolgreiches" Mitglied der EU. Im Gegensatz dazu war allerdings bereits am Morgen ihre österreichische Kollegin Claudia Schmidt von der Volkspartei mit ihrer äußerst harschen Kritik vorgeprescht. In ihrer schriftlichen Erklärung legte sie den Fokus vor allem auf den Bau der Metrolinie 4 in Budapest, bei dem die Kosten auf 1,4 Milliarden Euro explodiert waren, zum Großteil finanziert von der EU. Schmidt verwies auf Korruption und Fehlplanungen. Dies sei "nur ein Schlaglicht auf den Umgang mit EU-Förderungen durch die ungarische Regierung und die ungarischen Behörden", folgerte sie und forderte: "Denen müssen wir in Zukunft besser auf die Finger schauen."

© SZ vom 21.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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