Umstrittenes Gallois-Reformpapier:Schocktherapie für Frankreichs Regierung

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Ein radikales Reformpaket soll Frankreich wieder wettbewerbsfähig machen. Die Vorschläge des früheren EADS-Chefs Gallois entstanden im Auftrag von Präsident Hollande, doch sie erinnern an die Ideen seines Vorgängers Sarkozy. Die neue Regierung ist empört.

Frankreichs Regierung bringt sich mit einem eigens angeforderten Bericht in Schwierigkeiten. Der frühere Chef des europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzerns EADS, Louis Gallois, fordert die neue sozialistische Regierung dazu auf, die Lohnnebenkosten um 30 Milliarden Euro zu senken. Entlasten will Gallois vor allem die Arbeitgeber. Deren Sozialabgaben sollten insgesamt um 20 Milliarden Euro sinken. Die Summe soll durch Ausgabenkürzungen und höhere Mehrwertsteuern gegenfinanziert werden.

Es sei ein "Wettbewerbsschock" nötig, um die verlorene Industriebasis wieder aufzubauen, erklärt Gallois bei der Übergabe seines Reformpapiers an Ministerpräsident Jean-Marc Ayrault.

Präsident François Hollande, der den Bericht im Sommer in Auftrag gegeben hatten, hat eine solche "Schocktherapie" bislang jedoch kategorisch abgelehnt. Vor allem will er ohne Gegenleistungen keine Zugeständnisse an Unternehmen machen. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Hollande bereits Pläne seines konservativen Vorgängers Nicolas Sarkozy gestoppt, die Mehrwertsteuer zu erhöhen.

Die Reformen überforderten das Land in der jetzigen Lage, hieß es folgerichtig in Pariser Regierungskreisen: "Wir können nicht die Finanzen in Ordnung bringen und gleichzeitig einen Wettbewerbsschock verabreichen." Der Minister für Soziale Ökonomie, Benoit Hamon, hatte kürzlich unmissverständlich klargestellt, dass Gallois nicht mit am Kabinettstisch sitzt: "Es ist die Aufgabe der Regierung zu regieren."

Light-Version statt Schocktherapie?

Hollande, der das Haushaltsdefizit im kommenden Jahr auf das Maastricht-Kriterium von drei Prozent der Wirtschaftsleistung eindampfen muss, hat seine Pläne bislang nicht konkretisiert und lediglich einen "Pakt für Wettbewerbsfähigkeit" in Aussicht gestellt.

Wie eine solche Light-Version der Reformen aussehen könnte, hatte jüngst Mittelstandsministerin Fleur Pellerin umrissen. Demnach sollen gezielt gewisse Branchen bei den Arbeitskosten entlastet werden, die besonders stark dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind.

Die Industrie klagt darüber, weltweit mit die höchsten Arbeitskosten schultern zu müssen. Der Abbau von Industriearbeitsplätzen hat in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone bereits dramatische Ausmaße angenommen. Die Wachstumskräfte in Frankreich lahmen bereits seit drei Quartalen, und die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie seit 13 Jahren nicht mehr.

Als eine der größten Belastungen für die Wirtschaft hat Gallois die Sozialabgaben identifiziert: Dabei will er die Arbeitgeber bei den Beiträgen um 20 Milliarden und die Arbeitnehmer um zehn Milliarden Euro entlasten. Gegenfinanziert werden soll das Ganze unter anderem durch eine Ökosteuer auf Dieseltreibstoff und höhere Abgaben auf Mieteinnahmen.

© Süddeutsche.de/Reuters/mike - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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