Umstrittene Abstimmung:Mindestens zehn Tote bei Protesten gegen Wahl in Venezuela

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  • Nach der Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung in Venezuela spricht die UN-Botschafterin der USA von einem "weiteren Schritt in Richtung Diktatur" und Betrug.
  • Präsident Maduro wertet die Wahlbeteiligung von offiziell etwa 42 Prozent als Zustimmung für seine Person und seine Pläne. Die Opposition zweifelt diese Zahl jedoch an.
  • Bei den Protesten und Unruhen wegen der geplanten Verfassungsänderung sind am Wochenende mehrere Menschen getötet worden.

Bei Unruhen wegen der umstrittenen Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung in Venezuela am Sonntag sind mindestens zehn Menschen getötet worden. Die Opposition im Land will das Wahlergebnis nicht anerkennen, die USA sprechen ebenfalls von "Betrug" und erwägen Sanktionen.

Knapp 20 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, die 545 Mitglieder des Gremiums zu wählen, das eine neue Verfassung erarbeiten soll. Seit Monaten gibt es Proteste gegen die Regierung von Präsident Nicolás Maduro, dem die neue Verfassung mehr Macht einräumen soll. Mehr als 100 Menschen sind seit April bei den Demonstrationen ums Leben gekommen.

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Die Krise zwischen Regierung und der Opposition steuert auf ihren Höhepunkt zu: Am Sonntag will Präsident Maduro den ersten Schritt hin zu einer neuen Verfassung machen. Seine Gegner antworten auf der Straße.

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Nach Angaben der Opposition starben auch an diesem Wochenende mindestens 16 Menschen, die Generalstaatsanwaltschaft bestätigte zehn Tote. Einer von ihnen ist ein Kandidat des Regierungslagers, der von Unbekannten in seiner Wohnung erschossen wurde. Zudem wurde ein 19-jähriger Politiker der Oppositionspartei Acción Democrática (AD) bei Protesten im Bundesstaat Mérida getötet.

Zwei Jugendliche im Alter von 13 und 17 Jahren wurden am Sonntag bei Protesten im Bundesstaat Táchira tödlich von Kugeln getroffen, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. In demselben Bundesstaat an der Grenze zu Kolumbien war kurz zuvor ein Soldat während einer Demonstration getötet worden. Auch mehrere Polizisten sollen bei Demonstrationen in der Hauptstadt Caracas verletzt worden sein.

USA wollen Wahlergebnis nicht anerkennen

Die USA und zahlreiche lateinamerikanische Länder haben angekündigt, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen. "Die betrügerische Wahl von Maduro ist ein weiterer Schritt in Richtung Diktatur. Wir akzeptieren keine unrechtmäßige Regierung", teilte die UN-Botschafterin der USA, Nikki Haley, via Twitter mit. "Das venezolanische Volk und die Demokratie werden sich durchsetzen", fügte sie hinzu. Die US-Regierung erwägt weitere Sanktionen auch gegen den Ölsektor des Landes. Mexiko, Kolumbien, Panama, Argentinien, Costa Rica, Brasilien und Peru lehnten die Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung ebenfalls als illegal ab.

Die nationale Wahlbehörde hatte am Montagmorgen bekannt gegeben, dass sich 8,1 Millionen Menschen an der Wahl beteiligt hätten. Das entspreche einer Beteiligung von 41,53 Prozent, sagte die Präsidentin der Behörde, Tibisay Lucena, in Caracas.

Präsident Maduro wertete die Wahlbeteiligung als Zustimmung für seine Person und seine Pläne. Das waren mehr Stimmen, als er bei der Präsidentschaftswahl 2013 erhalten hatte. "Dieses Stimmenverhältnis ist das größte für die Bolivarische Revolution in 18 Jahren", sagte er. Es wurde aber nicht veröffentlicht, wie viele ungültige Stimmen abgegeben wurden - oft werden als Protest in Venezuela Stimmen im Wahllokal ungültig gemacht.

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Die Opposition sprach von Wahlbetrug: Nach ihren Angaben stimmten nur zwischen zwei und drei Millionen Menschen ab. Einer unabhängigen Analyse zufolge sollen 3,5 Millionen Wahlberechtigte ihre Stimme abgegeben haben.

Die Verfassungsänderung ist im Land höchst umstritten. Die Opposition boykottierte die Wahl: Sie warnte, Präsident Maduro wolle das Land in eine Diktatur umwandeln. Die Lage in Venezuela ist angespannt, am Wahltag patrouillierten Panzerwagen, 232 000 Soldaten waren im Einsatz, um die Wahl zu schützen. Trotz der gewalttätigen Vorkommnisse sprach Maduro von einem "historischen Tag". Er bestritt, dass es Tote gegeben habe.

© SZ.de/AFP/dpa/fie/epd - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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